Struhar schrieb das Werk in den 1990er Jahren noch auf Tschechisch. Das Buch erzählt von Sehnsucht nach Zuneigung, Verständnis, sowie dunkler Familienvergangenheit.
Radio Dráťák Magazin
30.3.2020 | 21:10 | Radio Burgenland Livestream
„Der Protagonist Joachim ist von seinen Großeltern adoptiert und endet in einer alten Villa nahe dem Schloss Schönbrunn und diese Villa wird sein neues zu Hause. Das Haus ist aber bedrückend, voll von Bildern von Kaspar David Friedrich, Franz von Stuck, Camille Pissarro und auch von Bildern der Balletttänzerinnen von Edgar Degas. Auf Joachim wirkt dieses Haus selbstverständlich fremd und er fühlt sich einfach nicht zu Hause. Die Großeltern sind ihm gegenüber emotionell sehr distanziert. Die einzige, die sich ihm widmet, die ihn wirklich in ihr Herz geschlossen hat, ist seine 17jährige Tante Nathalie“, enthüllt Stanislav Struhar den Inhalt seines Werkes „Verlassener Garten“.
Leseprobe
Die Menschen, die uns nahe waren, wohnen nach ihrem Tod in unseren Herzen. Sie sind darin anwesend, wenn wir im vollem Bewusstsein sind und auch in unseren Träumen. Sie machen aufmerksam auf sich in den Dingen, die wir lieben, bleiben in alten Fotografien, zeigen sich in unseren Augen oder in den Augen anderer Menschen, auch in Bildern rufen sie sich bei uns in Erinnerung, ziehen unsere Aufmerksamkeit auf sich in der Musik – erklärte Nathalie. Es war still.
Obwohl auf Schritt und Tritt vom Deutschen umgegeben, tauchte der Autor in den 1990er Jahren noch während des Schreibens wieder und wieder in seine Muttersprache ein. Die erste Hälfte des Romans entstand in Momenten der Stille noch in Struhars ehemaliger Beschäftigung im KunstHausWien: „Ich erinnere mich daran, dass Herr Hundertwasser oft an mir vorbeiging, weil er damals im Obergeschoss wohnte und auch meine Kollegen schauten mir über die Schulter, weil sie aber kein Tschechisch sprachen, wussten sie nicht, was ich schreibe und einer meiner Kollegen, der damals an der Wiener Universität studierte, er war so jung wie ich, äußerte den Wunsch, dass er den Roman einmal lesen wollte.“
Das kann er heute. Durch Pinselstriche lässt der Romanheld Joachim seine Erinnerungen melancholisch sprechen. Es sind gleichzeitig auch Orte, die Struhar bei Entdeckung des neuen Zuhauses bezauberten.
„Diesen Roman nannte ich mein ‚Wiener Frühwerk‘, meinen ‚Wiener Roman‘, weil Wien in ihm eine sehr wichtige Rolle spielt. Es sind Textpassagen, in denen die Stadt mit all ihren Sehenswürdigkeiten und Wichtigkeiten auf einmal im Vordergrund steht. Diese Passagen beschrieb ich immer so als ob ich Gedichte schriebe und diese Beziehung zur Stadt blieb mir bis heute“, erzählt Stanislav Struhar.
Stanislav Struhars neuesten Roman „Verlassener Garten“, erschienen im österreichischen Wieser Verlag, können Sie aus jeder Buchhandlung innherhalb der deutschsprachigen Länder bestellen.
Der Prosaiker, Dichter und Buchhändler Stanislav Struhar, gebürtiger Zlíner, emigrierte zusammen mit seiner Frau Yvona ein Jahr vor dem Fall des Eisernen Vorhangs nach Österreich. Seinen Worten nach entwickelte er seinen frühen poetischen literarischen Styl im Tschechischen an, erst danach entwickelte er ihn im Deutschen. Inzwischen ist Wien zwar schon sein Zuhause geworden, aber die Themen wie Trennung, Entfremdung, Suchen und auch Finden bilden weiterhin zentrale Motive seines Werkes: „Protagonisten, die sich vereinsamt fühlen, abgetrennt, ihr zu Hause verloren. Diese Themen standen mir nahe, deswegen wagte ich, auch aus der Sicht eines jungen Wieners zu schreiben, der sich an die Zeit erinnert, als er sechs Jahre alt war und seinen Bruder und später auch seine Mutter verlor.“
Im Jahr 2004 war es ein tschechischer Prestigeverlag, der den „Verlassenen Garten“ den Leser/innen vorstellte. In Struhars literarische Welt schaute Österreich erst hinein, als seine Literatursprache Deutsch wurde. Die innerlichen Worte kleidete die Bohemistin Kristina Kallert ins Deutsche.
Mit Stanislav Struhar drehten wir auch für unser Fernsehmagazin „České ozvěny, Slovenské ozveny“, das schon an diesem Sonntag, den 5. April, in ORF 2 Wien um 13:05 Uhr läuft.
Das Magazin Radio Dráťák wird jeden Montag um 21:10 Uhr auf Radio Burgenland ausgestrahlt. In der aktuellen Sendung hören Sie Schriftsteller Stanislav Struhar.