On demand | Roma sam | 23.12.2019
Schon sehr früh, genauer gesagt in der Volksschule, kam Gerhard Baumgartner in Kontakt mit Roma. Natürlich wusste er als Kind noch nichts von Abstammung und der Politik, die dahinter steckte. Viele Romakinder wurden sofort in Sonderschulen abgeschoben und ihnen das Recht auf Bildung verwehrt, erinnert sich der Historiker.
Aussagen zu der damaligen Zeit trafen auf taube Ohren
Die Aufarbeitung der Verfolgung der Roma in der NS-Zeit war und ist ein wesentlicher Forschungsschwerpunkt von Gerhard Baumgartner. Ihm ist es zu verdanken, dass viele Informationen und Fakten zu den Roma aus Archiven zu Tage treten konnten. Unter anderem hat er zahlreiche Berichte von Überlebenden Opfern des Nationalsozialismus zusammengetragen. Entgegen der Meinung, dass Roma oft nicht über ihr Schicksal sprechen wollten und im Verborgenen lebten, gibt es viele Dokumente, die das Gegenteil beweisen. Wie so oft trafen diese Aussagen zu der damaligen Zeit auf taube Ohren. Der Historiker ist sich sicher, dass die Aufarbeitung der tragischen Schicksale der Roma erst jetzt begonnen hat. Was die Forschung betrifft, liegt dieser Bereich 50 Jahre hinter jenem der Aufarbeitung der Geschichte und Schicksale von anderen Minderheiten, meint Baumgartner.
Attentat von Oberwart brachte die Wende
Die Situation der Roma ist in Österreich weitaus besser als in vielen Ländern des Ostens. Dies hatte vor allem mit der Wahrnehmung der Roma innerhalb der Mehrheitsgesellschaft zu tun, so Baumgartner. Roma verschwanden sehr lange in der anonymen Masse von Gastarbeitern, die nicht als der Volksgruppen zugehörig eingeordnet wurden. Erst mit dem Attentat von Oberwart wurden die Roma als Roma und als eigenständige Volksgruppe in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wurden. Es fand dadurch auch eine Solidarisierung statt, die Politik und die Gesellschaft standen auf Seiten der Roma. Vor allem Rudolf Sarközi wurde als Gallionsfigur der Roma anerkannt und zu wichtigen gesellschaftlichen- und politischen Ereignissen eingeladen. Erst dadurch entstand eine positive Kontextualisierung der Volksgruppe innerhalb der Mehrheitsgesellschaft. In vielen anderen europäischen Ländern, fand dies nicht statt.
Schon vor der Machtergreifung 1938 gab es Pläne
Vor dem Attentat von Oberwart, wurden Roma lange Zeit aus dem kollektiven Gedächtnis der Mehrheitsbevölkerung verbannt. Kaum jemand wollte sich daran erinnern, dass auch sie Opfer des Nationalsozialismus waren. Dies liegt an der Geschichte der Roma vor dem Zweiten Weltkrieg – viele Deportationen die in der NS-Zeit stattfanden, wurden schon vorher von der Bevölkerung und den Gemeinden gefordert. Schon vor der Machtergreifung 1938 gab es Pläne um die Roma aus dem Leben der Mehrheitsgesellschaft zu entfernen.
Heute gibt es positive Entwicklungen, immer mehr Gemeinden bekennen sich zu ihrer Geschichte und errichten Gedenkstätten und Gedenktafeln für die verstorbenen Roma und Sinti, die einst im Ort lebten, so Baumgartner.