On demand | Roma sam | 24.6.2019
„Deportiert. Vergleichende Perspektiven auf die Organisation des Wegs in die Vernichtung“ zeigt mitteleuropäische Wege, die die größte Katastrophe von Menschen an Menschen möglich machten.
Der renommierte Historiker und Autor Omer Bartov ist ebenfalls Redner der Konferenz am Wiener Hauptbahnhof. Der Professor für europäische Geschichte und deutsche Studien an der Brown University in den USA ist einer der weltweit führenden Historiker im Forschungsbereich Völkermord. Geboren ist er in Israel.
„Meine Gedanken drehen sich stets um den Völkermord, wie das Verhältnis zwischen Opfern und Tätern aufgestellt ist. Im Völkermord, der von den Nationalsozialisten begangen wurde, waren die Berührungspunkte zwischen den beiden Gruppen gering, die Opfergruppe wurde weggeführt, aus dem Blickfeld geschafft.
Doch in den 1990er Jahren gab es abermals zwei Völkermorde, einer in Ruanda, einer in Bosnien. Da gab es nichts Geheimes, es gab keine Distanz zum Grauen, da wurden Nachbarn von Nachbarn ermordet. Mich interessierte, wie so etwas möglich sei.
1995 interviewte ich meine Mutter über ihre eigenen Erfahrungen, ihre Vertreibung aus einem kleinen Dorf in Polen, Buczacz, aus dem auch Simon Wiesenthal stammt. In meinen Studien erkenne ich immer wieder, dass die Gewalt innerhalb der Gesellschaft wächst und nicht nur von außen injiziert wird“, erläutert der Historiker Bartov.
Hass, Gewalt, Eifersucht, Missgunst, das alles sind Pulverfässer. Die leicht entzündbare Schnur dieser Pulverfässer braucht lediglich eine öffentliche Mobilmachung mit Vorurteilen, um diese menschlichen Gefühlsfässer zum Explodieren zu bringen. Dass solche Explosionen zum unwahrscheinlichsten Grauen führen können, unterstreichen die Massendeportationen der von den Nazis nicht gewünschten Bevölkerungsgruppen.
ÖBB als Widerstandskern und zugleich als Machtinstrument
Eisenbahnerinnen und Eisenbahner in Österreich waren maßgeblich, anders als ihre Deutschen Kollegen, am Widerstand gegen den Nationalsozialismus beteiligt. Über 2000 von ihnen landeten in Konzentrationslagern, etwa 300 von ihnen verloren dort oder bei Direkthinrichtungen ihr Leben.
Gerade die Österreichischen Bundesbahnen, damals BBÖ, mit ihr auch die Eisenbahner und Eisenbahnerinnen, waren im Zweiten Weltkrieg zugleich Instrumente des Machtmissbrauchs der politischen Diktatur, der Nazis. Mit einem sensiblen Bewusstsein für das Geschehene setzt sich die jetzige ÖBB mit ihrer Ausstellung „Verdrängte Jahre. Bahn und Nationalsozialismus in Österreich 1938-1945“ auseinander, erzählt Traude Kogoj, Diversity Beauftragte der ÖBB.