Die türkisch-kurdische Schriftstellerin Meral Şimşek erhält den Theodor Kramer Preis 2022 (gemeinsam mit dem Publizisten Gerhard Oberschlick)
Meral Şimşek
Meral Şimşek
Theodor-Kramer-Preisträgerin

Autorin Meral Şimşek sicher in Deutschland

Der türkisch-kurdischen Schriftstellerin und Lyrikerin Meral Şimşek (40) ist es am Wochenende gelungen, zwei Tage vor einem Prozess-Termin in der Türkei sicher nach Deutschland zu gelangen. Das meldet heute der PEN Berlin.

Şimşek, die zuletzt in Diyarbakır lebte, ist Mitglied des kurdischen PEN-Zentrums und wird am 9. September in Niederhollabrunn den Theodor Kramer Preis für Schreiben im Widerstand und Exil entgegennehmen. Im Oktober 2021 wurde die Autorin laut PEN Berlin wegen angeblicher „Propaganda für eine Terrororganisation“ zu einer Haftstrafe von 15 Monaten verurteilt, wobei Passagen aus ihren Gedichten sowie internationale Literaturauszeichnungen als belastende Beweise bewertet wurden. Vom Vorwurf der „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ wurde sie in erster Instanz zwar freigesprochen, doch im Revisionsverfahren fordert die Staatsanwaltschaft weiterhin 15 Jahre Haft.

Familiengeschichte literarisch verarbeitet

In ihrem bisher letzten Roman „Nar Lekesi“ (etwa: „Granatapfelfleck“) hat sie ihre Familiengeschichte literarisch verarbeitet und ist dabei mit der Kurdenpolitik des türkischen Staates ebenso hart ins Gericht gegangen wie mit internen Hinrichtungen innerhalb der PKK.

Bei weiteren Verfahren drohen fünf Jahre Haft

Şimşeks im vorigen Jahr unternommener Versuch, über die Landgrenze nach Griechenland zu gelangen, scheiterte. Von griechischen Sicherheitskräften sei sie durch einen rechtswidrigen „Push Back“ zurück in die Türkei gezwungen worden, wo sie eine Woche in Haft verbrachte. Auf beiden Seiten der Grenze sei sie geschlagen und auf erniedrigende Weise behandelt worden, so die PEN-Berlin-Aussendung. Bei einem daraufhin eröffneten weiteren Verfahren drohen ihr fünf Jahre Haft wegen „illegalen Betretens eines militärischen Sperrgebiets“.

Auszeichnung für politisch verfolgte Autorin

Mit Meral Şimşek werde bewusst eine in der Türkei politisch verfolgte Autorin kurdischer Herkunft ausgezeichnet, „um ihr in ihrer Bedrängnis nach Möglichkeit beizustehen und damit auch einem Aufruf des International P.E.N. zu folgen“, hatte es Anfang Juni in der Begründung für die Zuerkennung des Theodor-Kramer-Preises geheißen. In ihrem lyrischen Werk rebelliere sie „Zeile für Zeile gegen die als schicksalhaft ausgegebenen Mächte, die Unterwerfung einfordern, mobilisiert sie die abrahamitische Überlieferung, die griechische Götterwelt und zoroastrische Mythen für ihren Kampf, als Frau und Angehörige einer unterdrückten Nation ein selbständiges Leben zu führen“.

„Dass ich hier meine Realität frei schreiben kann“

Nun ist es Şimşek gelungen, das Land, in dem sie verfolgt wurde, zu verlassen. „Wenn Sie versuchen, die Realität auf literarische Weise zu erzählen, geraten Sie in Gefahr, ausgelöscht zu werden“, wird sie heute zitiert. „Jetzt bin ich in einem neuen Land, von dem ich denke, dass ich hier meine Realität frei schreiben kann und blicke voller Hoffnung in die Zukunft.“