Eine Frau wirft ihre Stimme in die Wahlurne (29.9.2013)
HERBERT PFARRHOFER / APA / picturedesk.com
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SOS Mitmensch

Mit Wahlbeteiligung „kritische Grenze unterschritten“

Mit der Auswertung der Wahlkarten bei der Wiener Gemeinderats- und Landtagswahl wurde auch die endgültige Wahlbeteiligung von 65,3 Prozent ermittelt. Betracht man allerdings die Wahlbeteiligung der gesamten Wiener Wohnbevölkerung so sei die erstmals unter 50 Prozent gesunken.

Darauf machte heute die Menscherechtsorganisation SOS Mitmensch aufmerksam. „Von den 1,6 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner im Wahlalter gaben nur etwa 739.485 ihre Stimme ab. Damit sei eine kritische Grenze unterschritten worden“, warnt heute die Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch in einer Aussendung und macht erneut auf die Problematik des Ausschlusses eines großen Teils der Wohnbevölkerung Wiens bei der Wahl aufmerksam.

SOS Mitmensch: Nicht einmal die Hälfte der Wiener Bevölkerung gab ihre Stimme ab
SOS Mitmensch

30 Prozent ohne Wahlberechtigung

Mehr als 1,6 Millionen Wienerinnen und Wiener waren zum Stichtag der am Sonntag abgehaltenen Wien-Wahl im Wahlalter. Davon waren jedoch nur rund 1,1 Millionen wahlberechtigt. Das sind weniger als 70 Prozent der Wohnbevölkerung. Von diesen machten 739.485 tatsächlich von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Die restlichen 30 Prozent sind hauptsächlich aufgrund ihrer Staatsbürgerschaft nicht wahlberechtigt. „Damit liege die reale Wahlbeteiligung der in Wien lebenden Menschen im Wahlalter bei 45,8 Prozent und damit erstmals deutlich unter der 50 Prozent-Marke“, so die Berechnung von SOS Mitmensch und sieht die Macht des Wiener Gemeinderates „auf einer dünneren Wähler*innen-Basis“ legitimiert.

Trotz Bevölkerungszuwachs weniger Wahlbeteiligte

SOS Mitmensch sieht im steigenden Anteil der Wohnbevölkerung ohne Wahlberechtigung eine gefährliche Dynamik. Der Anteil der Wiener*innen, die auf Grund ihrer nicht-österreichischen Staatsbürgerschaft vom Wahlrecht ausgeschlossen sind (mehr als 480.000 im Wahlalter), habe sich in den letzten 30 Jahren verdreifacht so die Menschenrechtsorganisation. Die Geschäftsführerin Gerlinde Affenzeller dazu: „Obwohl Wien seit 1990 um ein Viertel gewachsen ist und das Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt wurde, gibt es heute weniger wahlberechtigte Wiener*innen als noch 1990. Diese Entwicklung ist bedenklich und nimmt den Menschen die Zugehörigkeit zur Demokratie und der Demokratie den Rückhalt der Menschen.“

Nicht-Wahlberechtigte als größte Gruppe

Auch der Demokratieforscher Gerd Valchars von der Uni Wien, der sich immer wieder für ein weniger restriktives Staasbürgerschaftsrecht ausspricht, kommentierte heute den Ausgang der Wien-Wahlen auf facebook: „Mit knapp 30% liegen die Nicht-Wahlberechtigten deutlich vor den Nicht-WählerInnen (24,4%), der SP mit 18,7% und der VP mit 9,2%.“

Für Änderungen beim Einbürgerungsrecht

SOS Mitmensch sieht bei der Politik Handlungsbedarf, um den „Trend der schrumpfenden Wahlbeteiligung“ zu durchbrechen. „Es braucht eine substanzielle Senkung der Einbürgerungshürden, erweiterte Möglichkeiten zu Doppelstaatsbürgerschaften und einen bedingungslosen Rechtsanspruch auf Einbürgerung für hier geborene oder lange hier lebende Menschen, damit bei der nächsten Wien-Wahl wieder mehr als die Hälfte der Wohnbevölkerung zur Wahlurne gehen“, schlägt SOS Mitmensch-Geschäftsführerin Gerlinde Affenzeller als Lösungsansatz vor.

Wiener Pass Egal Wahl

SOS Mitmensch weist seit einigen Jahren mit der „Pass Egal Wahl“ auf die wachsende Demokratiekluft hin. Vom Wahlausschluss Betroffene erhalten dabei die Möglichkeit, im Rahmen der Pass Egal Wahl ihre Stimme abzugeben und damit ein Zeichen für mehr Demokratie zu setzen.