Manfred Nowak, UN-Sonderbeauftragter für Folter, am Freitag, 23. Juli 2010, während einer Pressekonferenz im Rahmen der 18. Internationalen Aids Konferenz in Wien
GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com
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Flucht & Asyl

Höchste Zeit für gemeinsames EU-Asylsystem

Die aktuelle Flüchtlingssituation in Griechenland zeigt nach Ansicht des Wiener Menschenrechtsprofessors Manfred Nowak einmal mehr, dass es „höchste Zeit“ ist, an einem „echten“ gemeinsamen europäischen Asylsystem zu arbeiten.

„Anders wird es nicht gehen“, sagte Nowak heute im APA-Interview. Zu glauben, dass der 2016 geschlossene EU-Türkei-Flüchtlingspakt das Migrationsproblem löst, sei kurzsichtig von Seiten der EU gewesen. „Das war ein sehr leichtfertiges Versäumnis“, kritisierte der Gründer des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte. „Es war klar, dass der Deal nur eine kurz- oder vielleicht mittelfristige Option ist. Auf die Dauer muss die EU aber ein gemeinsames Asyl- und Migrationsrecht entwickeln“, betonte er. Auch die Grenzen „hermetisch abzuriegeln“, könne keine Lösung für eine globale Migrationskrise sein.

Bereits 2010 nur Bruchtteil der Asylanträge angenommen

Die Ankündigung Griechenlands, ein Monat lang keine Asylanträge mehr annehmen zu wollen, klinge vielleicht „wild“, wird nach Ansicht des Juristen in der Praxis aber nichts ändern. Denn schon 2010, als er seiner damaligen Funktion als UNO-Sonderberichterstatters für Folter griechische Flüchtlingseinrichtungen besuchte, sei nur ein kleiner Bruchteil der Anträge überhaupt angenommen worden, berichtete Nowak. Natürlich sei man rechtlich dazu verpflichtet, sowohl auf Basis von EU-Richtlinien als auch der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), Athen sei aber schlichtweg überfordert.

EU Griechenland „wieder einmal völlig im Stich gelassen“

Griechenland habe eine „jahrzehntelange Tradition“, über kein funktionierendes Asylsystem zu verfügen. Die Behörden seien „teilweise inkompetent“ und hätten beispielsweise die Verfahren, die derzeit oft jahrelang dauerten, verbessern müssen. Doch auch die EU habe Griechenland „leider wieder einmal völlig im Stich gelassen“, hielt Nowak fest. Generell würden Erstankunftsstaaten wie Hellas und Italien von EU „viel zu sehr alleinegelassen“. Wenn der Druck seitens der Türkei weiter zunehme dann sei die Lage auf den griechischen Inseln nicht mehr haltbar, so der Experte.

Forderung nach eigener EU-Asylbehörde

Nowak, der an der Universität Wien lehrt, bekräftigte seine langjährige Forderung nach einer eigenen EU-Asylbehörde. Das derzeit existierende EU-Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) sollte zu einer gemeinsamen EU-Asylbehörde ausgebaut werden, die auch für Außengrenzschutz zuständig ist. Diese Aufgabe könne nicht von einzelnen Mitgliedsstaaten bewältigt werden.