Romasiedlung in Oberwart heute
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25 Jahre Attentat

Bombe Reaktion auf Roma-Anerkennung

Die Bombe von Oberwart sei eine „direkte Reaktion“ auf die Anerkennung der Roma als österreichische Volksgruppe gewesen, sagte der Historiker Gerhard Baumgartner gestern im Rahmen der Gedenkfeier für die Opfer des Anschlags vor 25 Jahren.

Mit der Anerkennung sei es den österreichischen Roma und Sinti gelungen, einen Schritt vom Rand der österreichischen Gesellschaft in ihre Mitte zu machen. „Die Anerkennung markierte tatsächlich das Ende einer jahrhundertelangen, institutionalisierten Verfolgungsgeschichte, auch durch die Republik Österreich“, so Baumgartner. In der Zwischenkriegszeit hätten rund 12.000 Roma und Sinti in Österreich gelebt, die Mehrzahl davon – rund 9.000 – im Burgenland. „Dem Rassenwahn und der Verfolgungspolitik der Nationalsozialisten fielen 90 Prozent der österreichischen Romabevölkerung zum Opfer.“

„Welle der Ablehnung“ auch nach 1945

Den wenigen, völlig traumatisierten Überlebenden sei auch nach 1945 in ihrer Heimat „eine Welle der Ablehnung“ entgegengeschlagen. Erst am Ende der 1970er-Jahre hätten sie Anschluss an den österreichischen Lebensstandard der Nachkriegszeit finden können, so Baumgartner. Vom Schulsystem und vom Arbeitsmarkt seien sie dennoch weitgehend ausgeschlossen geblieben. Kinder seien in die Sonderschule „abgeschoben“ worden.

Der Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW), Gerhard Baumgartner. (3.2.2020)
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„Welle rassistischer und rechtsextremer Hetze und Gewalt“

Umso überraschender sei die Anerkennung als Volksgruppe ein paar Jahre später gewesen. Der Bombenanschlag von Oberwart und die Briefbombenserie der Jahre 1993 bis 1996 hätten „den Beginn einer neuen Welle rassistischer und rechtsextremer Hetze und Gewalt in Österreich“ markiert, stellte der wissenschaftliche Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes fest.

Solidarität mit den Roma

Für die Roma habe das Attentat aber auch den Beginn einer völlig neuen Erfahrung markiert. Erstmals in der Geschichte der österreichischen Roma hätten sich die Organe der Republik und weite Teile der Bevölkerung mit den Roma solidarisiert, erläuterte Baumgartner. Das Begräbnis der Opfer mit 10.000 Trauergästen sei eigentlich ein Staatsbegräbnis gewesen.

„Erfolge“ in den Folgejahren

Zu den „wesentlichen Erfolgen“ der Folgejahre und -jahrzehnte hätten die Etablierung des Roma-Fonds, die wissenschaftliche Dokumentation der österreichischen Roma-Sprache und die namentliche Erfassung der Holocaust-Opfer unter den österreichischen Roma und Sinti beigetragen. Erstmals habe es auch maßgebliche Entschädigungszahlungen aus den Entschädigungsfonds an die Überlebenden und ihre Nachfahren gegeben. Ein Erfolg sei schließlich auch die Etablierung der außerschulischen Lernbetreuung im Burgenland gewesen. Damit sei es gelungen, die schulischen und beruflichen Karrieren von Romakindern im Burgenland völlig dem burgenländischen Standard anzugleichen.

Antiziganismus „natürlich nicht“ überwunden

Ob der Rassismus und Antiziganismus in Österreich damit überwunden seien? „Natürlich nicht“, stellte Baumgartner fest. Jedoch sei Österreich die „unheilvolle Entwicklung“ seiner mittel-und osteuropäischen Nachbarländer erspart geblieben, „wo Roma heute meist als geächtete, marginalisierte und diskriminierte Minderheit oft in erbärmlichen Ghettos leben“.

„Ethnische, rassistische Politikansätze“ auf dem Vormarsch

In Österreich gelte institutionalisierter Rassismus als unvereinbar mit den demokratischen Grundwerten der Republik: „Das war zumindest bis vor einigen Jahren unbestrittener Grundkonsens österreichischer Politik“, so Baumgartner. Doch man dürfe sich nicht täuschen lassen: „Ethnische, rassistische Politikansätze sind auch in Österreich wieder auf dem Vormarsch.“ So sei etwa (FPÖ-Bundesparteiobmann, Anm.) Norbert Hofer „federführend“ daran beteiligt gewesen, „dass im Programm der FPÖ neben dem Bekenntnis zur deutschen Kultur- und Sprachgemeinschaft auch das Bekenntnis zur deutschen Volksgemeinschaft wieder eine Rolle spielt“, sagte Baumgartner. Und im aktuellen „Handbuch freiheitlicher Politik“ finde man die Forderung nach unterschiedlichen Pensionsleistungen für autochthone und nicht autochthone Österreicher. Hier sei „eine Grenze überschritten: Nie wieder darf ethnisch-rassistische Politik in Österreich Fuß fassen“, so Baumgartner.

Gleichheit aller österreichischen Staatsbürger

Die Gleichheit aller österreichischen Staatsbürger vor dem Gesetz mit gleichen Rechten und gleichen Pflichten sei „der Garant unserer Freiheit und unserer friedlichen Koexistenz. Dazu mahnen die vier Opfer von Oberwart – Erich Horvath, Karl Horvath, Peter Sarközi und Josef Simon.“