Das Rettungsschiff Sea-Watch 3 steuert die italienische Insel Lampedusa im Mittelmeer an. (26.6.2019)
AFP / picturedesk.com
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Mittelmeer

Schiffskapitänin erwägt Landung auf Lampedusa

Die Schiffskapitänin des Rettungsschiffes „Sea-Watch 3“, Carola Rackete, die mit 42 Migranten an Bord auf einen Landehafen wartet, hat sich bereit erklärt, die Flüchtlinge trotz italienischen Verbots nach Lampedusa zu bringen.

Sie habe keine andere Wahl, sagte sie heute im Interview mit der römischen Tageszeitung „La Repubblica“. Die deutsche Kapitänin betonte, sie warte noch auf die Reaktion des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) auf ihre Bitte zur Ergreifung „provisorischer Maßnahmen“ zur Landung der Migranten. Danach werde sie die Migranten nach Lampedusa führen.

Leben „wichtiger als jegliches politisches Spiel“

Sollte sie das Schiff nach Lampedusa bringen, droht ihr die Zahlung einer Geldstrafe von 50.000 Euro. Das Schiff soll konfisziert werden. „Ich weiß, dass mir eine Strafe und eine Untersuchung droht. Ich bin aber für 42 Personen verantwortlich, die ich im Meer gerettet habe und diesen Zustand nicht mehr aushalten können. Ihr Leben ist wichtiger als jegliches politisches Spiel, oder als eine Klage gegen mich. Man hätte nicht an diesen Punkt gelangen sollen“, sagte sie.

„Sie fühlen sich wie in Haft"

Die Lage an Bord sei extrem schwierig. Einige Migranten hätten mit einem Hungerstreik gedroht, andere wollten ins Meer springen. „Sie fühlen sich wie in Haft. Italien zwingt mich, sie auf einem Schiff zu halten, mit weniger als drei Quadratmeter Raum pro Kopf“, sagte Rackete. An Bord würden sich Minderjährige im Alter von elf, 16 und 17 Jahren befinden. Die Kapitänin betonte, dass weder Malta noch die Niederlanden Bereitschaft signalisiert hätten, die Migranten aufzunehmen.

Salvini wirft NGO „politische Provokation“ vor

Der italienische Innenminister und Chef der rechten Lega Matteo Salvini setzt sich seit über einem Jahr für eine Politik der „geschlossenen Häfen“ für private Rettungsschiffe ein. Zur aktuellen Situation der Sea-Watch 3 zeigt sich Salvini weiterhin unnachgiebig. „Die Sea-Watch nutzt seit 13 Tagen 42 Menschen zu ihren politischen Zwecken. Das ist politische Provokation“, so Salvini.

„In Italien landet sie nicht“

Er beschuldigte die deutsche NGO, das Leben der Migranten an Bord auf Spiel zu setzen. Salvini erklärte, er habe sich an die niederländische Regierung gewendet, da das Rettungsschiff mit Flagge der Niederlande unterwegs sei. „Die niederländischen Behörden haben uns recht gegeben, behaupten aber, die Migranten seien nicht ihr Problem“, erklärte der Lega-Chef und Vizepremier heute bei einer Pressekonferenz in Rom. „Von mir aus kann die ́Sea-Watch 3 ́bis Weihnachten auf See bleiben. In Italien landet sie nicht“, erklärte Salvini. Italien lasse sich nicht die Einwanderungsregeln von einer NGO diktieren, „die wer weiß wer zahlt“, erklärte der Innenminister.

Appell von 40 NGOs an Italien

Unterdessen haben 40 NGOs einen Appell an Italien gerichtet, die 42 Migranten an Land zu lassen. Menschenrechte seien wichtiger als politische Überlegungen, hieß es im Schreiben der NGOs an den italienischen Premier Giuseppe Conte. Unterzeichnet wurde der Appell von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, Save the Children und SOS Kinderdorf. An Bord der „Sea-Watch 3“ befinden sich auch Minderjährige, hieß es im Appell. Die „Sea-Watch-3“ könne die geretteten Migranten nicht nach Libyen zurückführen, da das Krisenland nicht sicher sei.

Turiner Bischof zur Aufnahme bereit

Inzwischen erklärte sich der Bischof der norditalienischen Stadt Turin, Cesare Nosiglia, zur Aufnahme der 42 Migranten bereit. Er appellierte an Salvini, die Migranten in Italien an Land gehen zu lassen. Prompt kam die Reaktion Salvinis: „Lieber Bischof, Sie können das Geld der Diözese für 42 Italiener in Schwierigkeiten verwenden. Unsere Häfen bleiben für diejenigen geschlossen, die die Gesetze nicht respektieren“, schrieb Salvini auf Facebook.