Irina Spataru
Parlamentsdirektion / Johannes Zinner
Parlamentsdirektion / Johannes Zinner
Roma sam | Portrait

Irina Spataru | Die Aktivistin in Brüssel

Anfang der 1990er Jahre kam Irina Spataru mit ihren Eltern nach Wien. Schon als Kind war ihr klar, dass sie einmal etwas für die Volksgruppe verändern möchte. Im Gespräch erzählt sie von ihren Anfängen als Aktivistin, die ganz Europa bereiste und sich ein internationales Netzwerk aufbaute, bis hin zu ihrer Tätigkeit im EU-Parlament. Heute lebt und arbeitet sie in Brüssel.

Als Sie mit 12 Jahren den Film „Gadjo Dilo – Geliebter Fremder“ sah, wollte sie so sein, wie eine der Protagonistinnen, eine Romni. Damals wusste sie noch nicht über ihre Abstammung Bescheid. Ihre Eltern wollten sie vor möglichen Anfeindungen beschützen, die sie selbst erlebt hatten. Als sie ihrem Vater sagte, wie sehr ihr die Filmfigur gefiel, klärte dieser sie über ihre eigene Geschichte und Herkunft auf. Von da an ging sie offen mit diesem Thema um, sie machte nie ein Geheimnis daraus, dass sie Romni ist. Sie erkannte jedoch auch, dass es innerhalb der Gesellschaft wenig Wissen über Roma und Romnja gibt. Schon damals keimte der Wunsch in ihr, dies eines Tages zu verändern, wie sie im Gespräch berichtet.

Irina Spataru
ORF
Irina Spataru

Vor sieben Jahren reiste sie gemeinsam mit ihrer Schwester Ioana, die ebenfalls Aktivistin ist, durch Europa zu verschiedenen Treffen der Rom_nja-Jugend. Damals begann sie sich international zu vernetzen. Als sie nach Österreich zurückkehrte, ließ sie sich im Romano Centro in Wien zur Trainerin ausbilden. Von da an hielt sie Workshops unter anderem zu Themen wie Menschenrechte und Antiziganismus. Das Romano Centro ermöglichte ihr, neben ihrem Studium, weiterhin Ausbildungen in ganz Europa zu machen und sich somit ein länderübergreifendes Netzwerk innerhalb der jungen, europäischen Roma-Bewegung aufzubauen, wie sie erzählt.

Radio „Roma sam“ | 30. August 2021 | 20:50 Uhr

Präsentiert von Susanne Horvath | Live Radio Burgenland

„Der österreichische Aktivismus ist vor allem ein politischer“

Durch ihre Erfahrungen im europäischen Aktivismus erkennt sie durchaus Unterschiede zum österreichischen Aktivismus, vor allem, was die Politik betrifft. In Österreich sei der Aktivismus in den letzten Jahren immer politischer geworden. Die Anerkennung der Roma und Romnja 1993 als Volksgruppe sei in Österreich ein wichtiger Meilenstein, der eine politische Diskussionsbasis geschaffen hat, die vorher nicht möglich war, so die Aktivistin.

Irina Spataru
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Irina Spataru bei der Gedenkveranstaltung zum 2. August im Jahre 2020

Durch ihr persönliches Engagement kam Spataru schon früh selbst mit dieser Politik in Berührung, obwohl dies nie ihre Intention war. Denn für sie war Politik und Aktivismus lange Zeit nicht miteinander vereinbar, da sie viele Entscheidungen mancher Politiker nicht nachvollziehen konnte. Heute arbeitet sie im EU-Parlament – das hätte sie sich aber noch vor einigen Jahren nicht Träumen lassen. 2016 war sie in ebendiesem als Rednerin eingeladen, damals erkannte sie, dass man Politikerin und Aktivistin sein kann, so wie Soraya Post, die sie damals kennen lernte. Diese Erkenntnis beeinflusste ihren weiteren Weg.

Irina Spataru
Privat
Irina Spataru

Seit April dieses Jahres lebt Irina Spataru in Brüssel und ist nun parlamentarische Assistentin der österreichischen Abgeordneten Monika Vana, deren Arbeit sie auch im Gleichstellungs-Ausschuss unterstützen kann. Die Arbeit ist spannend und abwechslungsreich und kein Tag verläuft wie der andere, erzählt Spataru.

Im Moment befindet sich Irina Spataru noch im Homeoffice – die Pandemie ist für sie jedoch nicht nur im Arbeitsleben zu spüren. Die Krise, die Corona ausgelöst hat, war und ist ein Nährboden für den Rechtspopulismus, der gerade in Europa eine Hochphase erlebt, so Spataru. Ihrer Meinung nach sei dies mit einer Eiszeit zu vergleichen, die auch wieder vorübergehen wird. Die momentane Situation bereitet vor allem vielen Roma und Romnja Angst, da sich in vielen Ländern Europas der Rassismus gegen sie richtet, wie Spataru beobachtet. Umso mehr müsse man nun zusammenhalten und gemeinsam gegen diesen Rechtspopulismus aufstehen und dagegenhalten.

„Ich möchte vor allem ein Vorbild für junge Roma und Romnja sein“

Im Rahmen ihrer Arbeit beschäftigte sie sich auch mit den neuen sogenannten „Strategien zur Inklusion, Gleichstellung und Teilhabe von Roma“, die von der EU festgelegt und bis 2030 fortgeführt werden sollen. Diese bringt einige Änderungen mit sich, die größte ist sicherlich die Bekämpfung des Antiromaismus. Ein Problem ist nach wie vor noch, dass die EU-Rahmenstrategien nicht verbindlich sind, das heißt die Umsetzung in den einzelnen Ländern ist nicht verpflichtend, erklärt Spataru.

Ihr größtes Ziel ist ein Vorbild für junge Roma und Romnja zu sein, daher möchte sie weiterhin mit gutem Beispiel voran gehen und den jungen Menschen zeigen, dass es sich lohnt, sich für etwas einzusetzen.