Boot mit Geflüchteten aus Syrien und Bangladesch bei der Rettung durch die spansiche NGO Open Arms in lybischen Gewässern des Mittelmeers (18.1.2024)
SANTI PALACIOS / AFP / picturedesk.com
SANTI PALACIOS / AFP / picturedesk.com
Flucht & Migration

EU unterzeichnet Pakt mit Ägypten

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), die Regierungschefin Italiens, Giorgia Meloni, sowie ihre Amtskollegen Kyriakos Mitsotakis (Griechenland) und Alexander De Croo (Belgien) wollen heute in Kairo ein schon länger verhandeltes Migrationsabkommen zwischen der EU und Ägypten abschließen.

In Kairo soll dabei mit Präsident Fattah Al-Sisi ein Deal beschlossen werden, der der EU 7,4 Milliarden Euro wert ist. Laut Bundeskanzleramt soll diese Summe bis 2027 ausgeschüttet werden. Darunter seien Zuschüsse für bilaterale (400 Millionen) und migrationsspezifische Projekte (200 Millionen). Fünf Milliarden werden in Tranchen als Makrofinanzhilfe in Darlehen ausbezahlt, 1,8 Milliarden für Investments zur Verfügung gestellt.

Allein in Ägypten leben laut Schätzungen sechs bis sieben Millionen innerafrikanische Flüchtlinge (vor allem aus dem Sudan, Äthiopien und Eritrea), offiziell liegen die Zahlen allerdings weit darunter. Das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) hat knapp 500.000 Personen mit Flüchtlingsstatus registriert. Zuletzt war auch die Zahl der Menschen, die von Libyen aus nach Griechenland und damit in die EU übersetzen wollen, im Steigen begriffen.

Mehr Ankünfte von Personen ägyptischer Herkunft

Die griechische Regierung drückte jüngst ihre Sorge über die zunehmenden Ankünfte von Personen ägyptischer Herkunft aus. Diese benutzen eine neue Flüchtlingsroute, die vom libyschen Mittelmeerhafen Tobruk aus in Richtung der Insel Kreta führt. Das UNHCR registrierte laut griechischen Medien in diesem Jahr bereits mehr als 1.000 Menschen, die von Tobruk aus auf der Kreta vorgelagerten Insel Gavdos ankamen. Die meisten von ihnen stammen den Berichten zufolge aus Ägypten.

„Die Sicherheit Europas ist maßgeblich von der Sicherheit unserer Nachbarn abhängig“, ließ jedenfalls Nehammer (ÖVP) im Vorfeld wissen. „Ich setze mich daher seit Jahren für effektive Abkommen ein, gerade mit den Partnern in Nordafrika, um illegale Migration in die EU und nach Österreich zu verhindern und Stabilität, wirtschaftliche Perspektiven und Sicherheit vor Ort zu schaffen.“

Wirtschaftliche Lage in Ägypten stützen

Das Hilfspaket der liberal-konservativen Politikerdelegation seitens der Europäischen Union zielt darauf ab, die wirtschaftliche Lage in Ägypten zu stützen. Diese droht sich aufgrund der Konflikte im Sudan und im Gazastreifen zu verschlechtern, wodurch wiederum die Migrationszahlen nach Europa steigen könnten. Laut Nachrichtenagentur AFP setzte Kairo seine Erwartungen nach Regierungsangaben zuletzt etwas geringer an. Demnach sollten im Gegenzug EU-Hilfen im Umfang von umgerechnet rund 4,5 bis 5,5 Milliarden Euro in das rund 110 Millionen Einwohner zählende Land am Nil fließen.

Ein wesentlicher Schwerpunkt soll im EU-Ägypten-Deal auf die Unterstützung bei der Unterbringung von Migrantinnen und Migranten vor Ort gesetzt werden. Aber auch die Bereiche „Wirtschaft, Handel & Investition, Sicherheit und Kampf gegen Terrorismus, sowie Demografie und Humankapital“ sind demnach darin enthalten.

Strategisches Partnerschaftsabkommen

Nehammer hatte Ägyptens Präsident bereits im April des Vorjahrs in Kairo getroffen. Dabei habe der Kanzler neben dem bilateralen Rückführungsabkommen, das derzeit fertiggestellt wird, auch die Initiative für ein strategisches Partnerschaftsabkommen der EU mit Ägypten ergriffen und diese im Anschluss durch Gespräche mit der Kommissionspräsidentin vertieft, so das Bundeskanzleramt.

Abkommen bereits mit Mauretanien, Türkei und Tunesien

Ähnliche Abkommen wurden bereits mit Mauretanien und der Türkei geschlossen, sowie mit Tunesien. Die EU-Kommission stellte dem wirtschaftlich schwer angeschlagenen Land in Nordafrika im Vorjahr Finanzhilfen in Höhe von bis zu 900 Millionen Euro in Aussicht. Im Gegenzug sollte Tunesien stärker gegen Schlepper und illegale Überfahrten vorgehen, um dort die Abfahrten von Menschen in Richtung Europa zu reduzieren.

Vor allem die italienische Ministerpräsidentin Meloni drängte damals auf eine Vereinbarung, um die von Tunesien ablegenden Boote auf deren Weg nach Süditalien und damit in die Europäische Union früh zu stoppen. Bezüglich der tatsächlichen Auszahlung kam es in Folge zu Streitigkeiten zwischen Tunis und Brüssel.

Kritik an Abkommen

Der Deal stieß auch auf Kritik. Er sei „überhaupt nicht nachhaltig“, bemängelte die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger im Juli 2023 im APA-Interview. „Man bezahlt viel Steuergeld dafür, dass Tunesien die Drecksarbeit für die EU erledigt.“ Brüssel mache sich so erpressbar.

Auch die geplante Vereinbarung mit Ägypten wird von NGO-Vertretern und Migrationsexperten mit Argwohn betrachtet. Flüchtlingsorganisationen sehen den Schutz der Menschenrechte nicht gewahrt. Migranten würden bei ihrer Flucht in Folge bloß auf „gefährlichere Routen“ ausweichen.