Justizministerin Alma Zadic (Grüne) im Rahmen einer PK mit dem Titel „Präsentation Gesetzespaket ‚Hass im Netz‘“ am Donnerstag, 3. September 2020, in Wien.
ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com
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„Klimaschutz als Menschenrecht“

Zadić setzt Hoffnungen in VfGH

Immer häufiger befassen sich Gerichte mit Klimaklagen, die sich auf Menschenrechte stützen. Dem Thema „Klimaschutz als Menschenrecht“ – „brennender geht es nicht“, so Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) – widmete sich gestern Abend denn auch Justizministerin Alma Zadić’ Diskussionsreihe „Justiz spricht“.

Zadić hofft in der Sache vor allem auf den Verfassungsgerichtshof (VfGH), von dem sie sich im Klimabereich eine „etwas progressivere Haltung“ wünscht.

Menschenrechte und Klimaschutz zusammendenken

Es gehe bei der Klimathematik nicht ums Leben, sondern ums Überleben, meinte Kogler in seinem Eingangsstatement in der Diplomatischen Akademie Wien, warum Menschenrechte und Klimaschutz zusammen gedacht werden müssen. UNO-Menschenrechtskommissar Volker Türk sprach von Klimavertriebenen, Wassermangel, Artensterben und Umweltverschmutzung, vor allem im Globalen Süden seien die Folgen des Klimawandels derzeit zu spüren.

Dehnung des VfGH durch „juristisches Yoga“

Anwältin Michaela Krömer, die unter anderem die im Februar eingereichte Kinder-Klimaklage, die sich auf Kinderrechte stützt, vor dem VfGH vertritt, sprach von einem Rechtsschutzdefizit in Österreich. Die Biodiversitäts- und Klimakrise sei eine Krise der Menschenrechte, die man hier jedoch nicht einfordern könne. Noch steht nicht fest, ob der VfGH die Klimaklage der Kinder und Jugendlichen zulassen wird – Krömer riet dem Gerichtshof dazu, sich durch „juristisches Yoga“ ein bisschen zu dehnen. Im Kampf gegen den Klimawandel sieht Krömer Parallelen zur US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung der Afroamerikaner. „Ich habe einen Traum“, zitierte sie abschließend Martin Luther King.

„Progressivere Haltung“ des VfGH im Klimabereich

Als Justizministerin sei es ihre Aufgabe, für die rechtlichen Rahmenbedingungen in Sachen Klimaschutz zu sorgen, so Zadić. Ebenso betonte sie die Bedeutung des VfGH – Was Regierungen nicht zustande bringen, das könnten Klagen dort erreichen. Schließlich wurde auch die Ehe für alle in Österreich durch ein VfGH-Urteil ermöglicht. „Im Klimabereich hoffe ich sehr, dass der Verfassungsgerichtshof doch eine etwas progressivere Haltung einnimmt“, so Zadić.

Auch die Menschen seien am Zug

Während Zadić die Aufgabe des VfGH als „negativer Gesetzgeber“ hervorhob, meinte Michael Lysander Fremuth, Direktor des Ludwig Boltzmann Instituts für Grund- und Menschenrechte, dass Gerichte die Klimakrise nicht alleine lösen können. Diese müssten „den Ball zurück an die Gesetzgeber und damit auch an das Volk und die Bevölkerung“ spielen. Es brauche Bewusstseinsbildung, Abfederung für soziale Härten sowie ein Vertrauen in den technologischen Fortschritt. Auch die Menschen seien am Zug – als Konsumentinnen und Konsumenten müssten sie beispielsweise imstande und bereit sein, einen Preis zu zahlen, der die realen Folgekosten von Produkten abbildet.

Bei COP27 Menschenrechte bereits miteinbezogen

Auch er selbst wolle sich weiterhin für ehrgeizige Ziele in Sachen Klimaschutz einsetzen, meinte Türk indes. International sehe man bereits Verbindungen zwischen Menschenrechten und Klimaschutz. So habe es etwa bei der Weltklimakonferenz COP 27 im vergangenen Jahr einige Übereinkommen gegeben, die Menschenrechte miteinbezogen – etwa in Bezug auf den Ausgleich von Klimaschäden. Je größer der Menschenrechtsgehalt von Beschlüssen, desto wirkungsvoller und gerechter seien sie auch, meinte Türk.

Richtlinie gegen SLAPP-Klagen kommt

Auf EU-Ebene habe man mit dem „Digital Service Act“ ein Instrument gegen Hass und Desinformation umgesetzt, das Online-Plattformen in die Pflicht nehme, so die Justizministerin. Beschließen werde man im Rat auch eine Richtlinie gegen SLAPP-Klagen, also Einschüchterungsklagen etwa gegen Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger sowie Umweltaktivistinnen und -aktivisten. Das EU-Lieferkettengesetz sei ein „Gamechanger“, sei aber von einer „enormen Lobby“ begleitet worden, die versucht habe, einzelne Branchen aus dem Gesetz zu kicken. Sie rät Umweltorganisationen, ebenso Lobbyingarbeit zu leisten. In Österreich pocht sie vor allem auf das Verbrenner-Aus.