Flüchtlingscamp Lipa in Bosnien
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Camp Lipa

ICMPD klagt SOS Balkanroute

Der Konflikt um den Bau einer Internierungsanlage im bosnischen Flüchtlingslager Lipa hat ein rechtliches Nachspiel. Das Internationale Zentrum für Migrationspolitik (ICMPD) verklagt die NGO „SOS Balkanroute“ wegen Kreditschädigung beim Handelsgericht Wien. Empört reagierten die Grünen, die von einer „Einschüchterungsklage“ sprachen.

Man wolle weder die Meinungsfreiheit einschränken noch finanziellen Druck ausüben, betonte ein ICMPD-Sprecher gegenüber der APA. „Uns geht es ausschließlich um die Unterbindung von fortwährenden falschen Behauptungen. Weil wir uns einer wiederholten Kreditschädigung ausgesetzt sehen, wählen wir jenen Weg, den der Rechtsstaat dafür vorsieht: Die Einbringung einer Klage auf Unterlassung und Widerruf“, sagte er. „Um die finanzielle Last so gering wie möglich zu halten, haben wir keine Geldforderungen wie zum Beispiel Schadenersatz geltend gemacht.“ Darüber hinaus habe man sich am unteren gesetzlichen Rahmen für die Bewertung orientiert, die notwendig ist, um den vollen Instanzenzug ausschöpfen zu können.

NGO werden Aussendung und Postings vorgehalten

Der NGO und ihrem Gründer Petar Rosandić werden Aussendungen, aber auch Postings in sozialen Medien seit dem 5. April vorgehalten. „SOS Balkanroute“ hatte die ICMPD-Einrichtung als „das österreichische Guántanamo in Bosnien“ bezeichnet und in diesem Zusammenhang eindrücklich die Schicksale von Migranten geschildert, die bei Pushbacks aus Kroatien nach Bosnien-Herzegowina malträtiert wurden. Zudem wurde das ICMPD als „ÖVP-nahe Organisation“ charakterisiert.

Einrichtung „noch gar nicht in Betrieb“

ICMPD-Generaldirektor Michael Spindelegger hatte die Vorwürfe bereits Mitte April als „völligen Humbug“ zurückgewiesen. „Es gibt einen Vorwurf, dass Personen durch Pushbacks an der kroatischen Grenze in ein Lager gebracht werden, das wir angeblich errichten, wo dann mit Menschenrechtsverletzungen Leute festgehalten werden. Das ist völliger Unsinn. In keinem einzigen Fall gibt es jemanden, der in unserer Einrichtung, die wir dort hergestellt haben, untergebracht ist, weil sie noch gar nicht in Betrieb ist“, betonte der frühere ÖVP-Vizekanzler im APA-Gespräch.

Begründung der Klage

Die Aussendungen und Postings „sind insgesamt grob irreführend, unvollständig und teilweise unwahr und kreditschädigend“, begründete das ICMPD die nunmehrige Klage. Auch würden diverse Aspekte zur Aufgabe und Rolle des ICMPD „falsch wiedergegeben“. Konkret wird darauf verwiesen, dass der Zubau im Auftrag der EU erfolgte, ICMPD nicht Betreiber der Anlage sei, sondern nur Errichter. Die Einrichtung habe Platz für zwölf Personen und sie können dort höchstens 72 Stunden angehalten werden. „Zahlreiche Behauptungen in diesem Zusammenhang stellen auch eine Ehrenbeleidigung dar, indem ICMPD vorgeworfen wird, das Leid von Menschen zu forcieren und keinen Wert auf Rechtsstaatlichkeit zu legen“, heißt es vom ICMPD weiter. Diesbezüglich wurde auch betont, dass ICMPD „eine internationale Organisation ohne parteipolitische Ausrichtung“ sei. Dies beweise alleine der Umstand, dass sie von 19 Staaten getragen wird, darunter die Türkei, Deutschland, Portugal oder Bosnien-Herzegowina.

Für Grüne „rote Linie überschritten“

Die Grünen sehen mit der ICMPD-Klage hingegen eine „rote Linie überschritten“. „Das ist ein inakzeptabler Präzedenzfall und grenzt an Zustände unter Orbán in Ungarn“, kritisierte die Nationalratsabgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic in einer Aussendung. Eine NGO, die sich „mutig“ für Flüchtlinge engagiere und „völlig zurecht auf Missstände“ hinweise, solle „wohl jetzt mit einer Einschüchterungsklage mundtot gemacht worden“. „Das ist völlig inakzeptabel und eine Schande für den Sitzstaat Österreich“, so die Grüne Außenpolitik-, Menschenrechts- und Migrationssprecherin in Richtung des vom früheren ÖVP-Chef, Ex-Vizekanzler und Ex-Außenminister Michael Spindelegger geleiteten Instituts. Es müsse sichergestellt werden, dass sich auch in Österreich ansässige internationale Organisationen an das Völkerrecht und Menschenrechte halten „und mit der Zivilgesellschaft kooperieren, nicht aber diese torpedieren“, forderte Ernst-Dziedzic. Sie erwarte, dass andere ICMPD-Vertragsstaaten „jetzt die notwendigen Konsequenzen ziehen“ werden. „Wir werden abklären, ob tatsächlich alle ICMPD Mitgliedsstaaten mit dieser Klage einverstanden sind.“