Figur auf der Rückseite einer Hauptplatine eines Computers, Paris, Ile-de-France, Frankreich (21.3.2013)
JOEL SAGET / AFP / picturedesk.com
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Studie

Missstände bei Elektronikproduktion in Südostasien

Ein neue Studie, die von der NGO Südwind und der niederländischen NGO Electronics Watch erstellt wurde, hat die Entwicklung der Arbeitsbedingungen in der Elektronikindustrie thematisiert.

Die Produktion verlagere sich weiterhin vom Globalen Norden in Länder mit niedrigen Arbeitsrechtsstandards, vor allem nach Südostasien. Gehälter und Löhne weit unterhalb des jeweiligen Existenzminimums, gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen ohne soziale Absicherung seien hier die Norm.

Sechs US-Dollar für acht Stunden Arbeit

Als Fallbeispiel wurde die Situation auf den Philippinen angeführt, laut dem Bericht eines der wichtigsten Ländern in der Elektronikproduktion. Sechs US-Dollar für acht Stunden Arbeit sei ein dort gezahlter Lohn – zu wenig, um die Familie zu ernähren. Julius Carandang, Mitglied der Metal Workers Alliance of the Philippines, berichtete gegenüber den NGOs in einem mit der Aussendung publizierten Videointerview, dass sich die Gewerkschaften zwar für Lohnerhöhungen einsetzen würden, doch eine Mitgliedschaft sei oftmals mit Repressionen verbunden.

Arbeiten zwölf Stunden pro Tag, sieben Tage die Woche

In einem weiteren Videointerview, das in den Philippinen erstellt wurde, berichtet eine seit 19 Jahren als Löterin bei MEC Electronics tätige Frau, dass Angestellte in dem Unternehmen, das unter anderem Netzkabel herstellt, nur 210 US-Dollar (rund 196 Euro) pro Monat bekämen – was etwa einem Drittel des existenzsichernden Lohns entsprechen würde. Sie arbeite dafür zwölf Stunden pro Tag, sieben Tage die Woche. Der Beitritt zur Gewerkschaft ist von der Geschäftsleitung verboten.

Überstunden, mangelhafter Schutz vor Chemikalien

„Beschäftigte in China, Taiwan, Vietnam, Philippinen, Indonesien, Thailand und Indien berichteten allesamt von erzwungenen Überstunden sowie einem mangelhaftem Schutz vor giftigen Chemikalien. Arbeitszeiten von 70 Stunden pro Woche sind eher die Regel als die Ausnahme und die Aufklärung über den sicheren Umgang mit Chemikalien fehlt meist“, resümierte die österreichische Menschenrechtsorganisation Südwind heute in einer Aussendung zu den Ergebnissen der Erhebung. Die Problematiken unterscheiden sich dabei, so wäre einerseits eine Art Schuldknechtschaft ein Problem in Thailand und Taiwan, während es in China und Indonesien zu Zwangspraktika für Studierende in Firmen käme, wobei die Tätigkeiten nichts mit der jeweiligen Ausbildung zu tun haben würden.

Schuldknechtschaft von Wanderarbeitenden

Unter dem Begriff Schuldknechtschaft heißt es in dem Bericht, dass „die meisten“ Elektronikfabriken in Taiwan Wanderarbeitende aus südostasiatischen Ländern einstellen würden. Diese Arbeiterinnen und Arbeiter würden in ihren Heimatländern in der bereits im Voraus eine Vermittlungs- oder Anwerbungsgebühr an eine Agentur zu zahlen haben. Dafür müssten dann Darlehen aufgenommen werden, womit die Arbeiterinnen und Arbeiter bereits verschuldet bei ihrem Arbeitgeber ankommen. In Thailand gebe es die Praxis ebenfalls, was „überhöhte und rechtswidrige Anwerbegebühren und damit verbundene Kosten in Höhe von 30-90 Tagen“ des Lohns bedeuten würde. Jedoch wurde auch aus der EU selbst berichtet, dort wurde aus Produktionsländern wie Polen oder Tschechien berichtet, dass hier Firmen bewusst ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit unsicherem Aufenthaltsstatus einsetzen würde, da sich diese so schlechter gegen die Arbeitsbedingungen zur Wehr setzen können.

Zunehmend intransparente und komplexe Lieferketten

Zunehmend intransparent und komplex seien die Lieferketten von elektronischen Produkten – und die dahinterstehende Industrie aus globaler Sicht sei gleichzeitig einer der größten Wirtschaftszweige. Aber es habe sich in den vergangenen vier Jahrzehnten in dieser Sparte ein System „der Auftragsfertigung entwickelt, das es großen Marken ermöglicht, Waren zu produzieren und zu verkaufen, ohne eine einzige Fabrik zu besitzen“, wird in dem Bericht unter Hinweis auf verschiedene Modelle der Auftragsfertigung wie Electronic Manufacturing Services (EMS) über Original Design Manufacturing (ODM) bis hin zu Joint Design Manufacturer (JDM) kritisiert.

Südwind fordert gesetzliches Regelwerk

Als Antwort auf die genannten Zustände fordert Südwind im Globalen Norden ein gesetzliches Regelwerk für verbindliche Sorgfaltspflichten entlang der gesamten Lieferkette und mehr Engagement für nachhaltige Elektronik auf allen Ebenen. „Angefangen von der öffentlichen Beschaffung bis hin zum privaten Konsum müssen Reparierbarkeit, Wiederverwendbarkeit und fachgerechte Entsorgung von Geräten zu Leitprinzipien werden“, wird René Schuster, Experte für faire Lieferketten bei Südwind, zitiert. Ein großer Teil der gesamten Elektronik-Produktion werde zudem von öffentlicher Hand eingekauft. Für einen Wandel hin zu faireren Arbeitsbedingungen könne somit die öffentliche Auftragsvergabe eine wichtige Rolle spielen.