Bulgarischer Zollbeamter, der den Verkehr an der Grenze zwischen Bulgarien und Griechenland in der Nähe des Dorfes Kulata überwacht. (21.12.2010)
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EU-Kommission

Diskussion über Erweiterung von Schengen-Raum

Der grenzkontrollfreie Schengen-Raum gerät auch im 27. Jahr seines Bestehens im Zuge der ungelösten EU-Asyl- und Migrationspolitik immer stärker unter Druck.

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hat am Freitag klargemacht, dass Österreich die von der EU-Kommission gewünschte Aufnahme von Kroatien, Bulgarien und Rumänien ablehnt. Er nannte das Schengen-System „funktionslos“ und verwies auf 100.000 in Österreich aufgegriffene Migranten. In ähnlichen Worten hatte zuvor schon Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) der EU Systemversagen in der Migrationspolitik attestiert. Österreich sei – obwohl von Schengenländern umgeben – derzeit so vielen Asylanträgen wie nie zuvor ausgesetzt.

Streit zwischen Italien und Frankreich

Am Freitag kommen die EU-Innenminister in Brüssel zusammen, um das heiße Eisen bei einem Sonderrat zu besprechen. Hintergrund ist eigentlich ein wieder hochkochender Streit zwischen Italien und Frankreich um die Migration. Die Regierung von Italiens ultrarechter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hatte sich geweigert, das Seenotrettungsschiff „Ocean Viking“ mit 234 Menschen an Bord in einen italienischen Hafen einfahren zu lassen. Frankreich nahm das Schiff sowie ein Drittel der Menschen auf und warf Italien einen Verstoß gegen internationales Recht vor.

Potenzielle Schengen-Beitrittsländer Kroatien, Bulgarien und Rumänien

Erweiterung bedarf Einstimmigkeit

Karner will bei dem Sonderrat das Gesamtproblem mit Schengen ansprechen. Dem Vernehmen nach laufen derzeit im Hintergrund intensive diplomatische Kontakte zwischen Brüssel und den drei potenziellen Schengen-Beitrittsländern. Der tschechische Ratsvorsitz hat die Schengen-Erweiterung zu einer seiner obersten Prioritäten gemacht und will im Rahmen des EU-Innen- und Justizministertreffens Anfang Dezember darüber abstimmen lassen. Die Erweiterung bedarf Einstimmigkeit unter den Schengen-Mitgliedstaaten, auch das Europaparlament müsste zustimmen.

Rumänien und Bulgarien warten seit 2007

Rumänien und Bulgarien warten seit ihren EU-Beitritten 2007 auf grünes Licht für Aufnahme in den Schengen-Raum. Lange waren die Korruption und Mängel in der Rechtsstaatlichkeit sowie der entsprechende EU-Überwachungsmechanismus das größte Hindernis für Bukarest und Sofia. Erst im Oktober hat sich das niederländische Parlament gegen die Aufnahme von Rumänien und Bulgarien in den Schengen-Raum ausgesprochen.

Slowenien kündigt Grenzkontrollen zu Kroatien an

2019 hatte zuletzt der damalige EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker eine Schengen-Erweiterung um Rumänien gefordert. „Es ist höchste Zeit, sie aufzunehmen“, forderte nunmehr die EU-Kommission in Hinblick auf Kroatien, Rumänien und Bulgarien. Slowenien kündigte umgehend die Einführung von Grenzkontrollen zu Kroatien an, sollte dies zur Eindämmung von Migration erforderlich sein, wie Außenministerin Tanja Fajon sagte.

Grenzkontrollen werden sukzessive verlängert

Der Traum vom grenzenlosen Europa ist seit der Migrationsbewegung von 2015 ohnehin an seine Grenzen gekommen. Wegen Migration und Terrorgefahr haben Österreich, Deutschland, Frankreich, Schweden, Dänemark, Norwegen und zuletzt auch Tschechien Grenzkontrollen zu ihren Nachbarn eingeführt und sukzessive verlängert. Österreich hat seine Grenzkontrollen im September erweitert: Neben der Grenze zu Slowenien und Ungarn wird seither auch wieder zur Slowakei kontrolliert. Ljubljana wehrt sich gegen die seit Jahren bestehenden österreichischen Kontrollen an seiner nördlichen Schengen-Binnengrenze, die Slowakei zeigte sich ebenso wenig erfreut. Auch während der Corona-Pandemie haben die Staaten – teils unkoordiniert – ihre Grenzen geschlossen und damit den Warenverkehr erheblich behindert.

Österreich seit 1995 im Schengen-Raum

Das Schengener Abkommen hat seinen Namen von der luxemburgische Winzergemeinde Schengen an der Mosel. Dort unterzeichneten am 14. Juni 1985 Belgien, Frankreich, Deutschland, Luxemburg und die Niederlande das erste solche Übereinkommen („Schengen I“). Österreich schloss sich dem Abkommen am 28. April 1995, vier Monate nach dem EU-Beitritt, an. Die Grenzbalken zu den damaligen EU-Nachbarn Deutschland und Italien gingen erst im April 1998 in die Höhe, nachdem es insbesondere in Bayern Sicherheitsbedenken gegeben hatte.

26 Schengen-Länder

Jahrelang wuchs der Schengenraum weiter an. Heute zählen neben den Gründungsmitgliedern und Österreich auch Dänemark, Estland, Finnland, Griechenland, Italien, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Portugal, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien und Ungarn dazu – ebenso die nicht zur EU gehörenden Staaten Schweiz, Liechtenstein, Island und Norwegen.