Jenischer Kulturtag der Initiative Minderheiten Tirol
Initiative Minderheiten Tirol
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Neuer Jenische-Verein will Anerkennung vorantreiben

Die Anerkennung der Jenischen in Österreich und in Europa will der Verein „Jenische in Österreich“ vorantreiben. Es sei ein „längst fälliger Schritt zur späten Rehabilitation der Jenischen“, betonen Vertreterinnen und Vertreter des vor Kurzem in Innsbruck gegründet Vereins.

Im türkis-grünen Regierungsprogramm aus dem Jahr 2020 wurde eine „Prüfung der Anerkennung der jenischen Volksgruppe“ ins Auge gefasst. Seither sei diesbezüglich leider wenig Konkretes geschehen, bedauern die Vertreterinnen und Vertreter des neuen Vereins, der auf Initiative der beiden Tiroler Heidi Schleich und Marco Buckovez gegründet wurde. Eine Anerkennung solle nicht nur geprüft, sondern möglichst schnell umgesetzt werden, wird in einer Pressemitteilung gefordert.

Transnationale Minderheit

Jenische leben als transnationale Minderheit in vielen Teilen Europas, vor allem aber in Österreich, Deutschland, der Schweiz, in Frankreich und Luxemburg. Der Europäische Jenische Rat geht von 500.000 bis zu einer Million Jenischen in Europa aus. Bislang hat nur die Schweiz die Jenischen als nationale Minderheit anerkannt. In Österreich sind Jenische in allen Teilen des Bundesgebiets wohnhaft, mit eigener Kultur und eigener mündlich tradierten Sprache.

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Jenische beim Handwerk
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Jenischer Handwerker
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Auszug der jenischen Sprache
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Jenischer Korbflechter
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Jenischer Korbflechter
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Geschichte der Diskriminierung

Die Geschichte der Jenischen ist eine geprägt von Verfolgung, Stigmatisierung und Diskriminierung. Als einst nicht-sesshafte Bevölkerung, die sich mit dem Handel und dem Handwerk, etwa mit Korbflechten, Scherenschleifen oder Pfannenflicken beschäftigte, wurde sie als Teil dieser Gesellschaft nicht respektiert und an den Rand gedrängt. Bereits im 18. Jahrhundert wurden die Menschen zur Sesshaftigkeit gezwungen. Von den Nationalsozialisten gebrandmarkt und ermordet, waren Jenische auch in der Zweiten Republik stets Diskriminierungen ausgesetzt. In den 1970er-Jahren wurde der Wanderhandel großteils aufgegeben. Um der Stigmatisierung zu entkommen, wählten viele Familien ein angepasstes und unauffälliges Leben und damit oft ein Leben im Verborgenen.

„Längst fälliger Schritt zur späten Rehabilitation“

Die Maßnahmen gegen Jenische und das Unrecht an ihnen erfolgten auf vielfältigen Ebenen – „polizeilich, gewerblich, justiziell, administrativ, medizinisch, psychiatrisch-heilpädagogisch, fürsorgerisch, schulisch“, wie der Verein anführt. Auf eine Wiedergutmachung oder eine Entschuldigung warten Jenische bis heute. „Die Anerkennung in Österreich und in Europa sehen wir als längst fälligen Schritt zur späten Rehabilitation der Jenischen, ihrer Kultur und Geschichte“, betont der Verein. Bei der Anerkennung der jenischen Volksgruppe gehe es nicht nur um „Wertschätzung und Respekt“, sondern auch „um die Restitution von Menschenwürde für diese in Österreich immer ‚vergessene‘ Minderheit“.

Werben um Unterstützung

Laut Verein haben sich die Gespräche auf politischer Ebene aufgrund der Corona-Pandemie verzögert. Nach einem ersten Gespräch in der zuständigen Volksgruppenabteilung im Bundeskanzleramt im November wollen Vereinsmitglieder demnächst das Gespräch mit den Minderheitensprecherinnen und -sprechern der Parlamentsparteien suchen. Mittlerweile präsentiert sich der Verein mit einer eigenen Website, auf der unter anderem um Unterstützung der Anliegen geworben wird. Bisher hat es in Österreich einen einzigen Jenischen-Verein gegeben.