Essenslieferant in Madrid (27.3.2020)
GABRIEL BOUYS / AFP / picturedesk.com
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Studien

Coronakrise drängte Geflüchtete in weniger qualifizierte Jobs

Die Coronakrise hat zwar für Flüchtlinge Jobchancen gebracht, allerdings eher in schlechter qualifizierten und atypischen Bereichen. Verlierer unter den Geflüchteten waren am Arbeitsmarkt Frauen, höher gebildete und Jugendliche.

Dies zeigen zwei Studien von WIIW (Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche) und ICMPD (International Centre for Migration Policy Development). Besonders schwierig war es für Geflüchtete in Wien, einen Job zu finden.

Aytpische Beschäftigungen

Basis für die Studien sind seit 2016 jährlich durchgeführte Umfragen unter Flüchtlingen aus den Hauptherkunftsländern Syrien, Afghanistan, Irak und Iran (FIMAS-Umfrage). Demnach waren 80 Prozent der Geflüchteten, die vor der Coronapandemie einen Job hatten, auch im Herbst 2020 noch berufstätig. Zugleich hat die Hälfte derer, die vor der Krise Arbeit suchten oder inaktiv waren, in der Krise einen Job gefunden. Allerdings nahmen von ihnen rund 60 Prozent eine atypische Beschäftigung auf, etwa als Paketzusteller oder Essenslieferant.

Schlechtere Jobs angenommen

„Frauen wechselten in der Krise nicht nur viel öfter in die Inaktivität, sondern gelangten aus dieser heraus auch viel seltener wieder in Beschäftigung“, schreibt Sandra Leitner, Senior Economist am WIIW und Co-Studienautorin, heute in einer Aussendung. Ähnliches gelte für gut gebildete geflüchtete Menschen mit Hochschulabschluss. Selbst wenn gut Qualifizierte weiter Arbeit hatten, verloren sie an beruflichem Status, etwa weil sie schlechtere Jobs annehmen mussten.

Unsichere Arbeitsverträge

Als atypische Arbeit sieht das WIIW unsichere Verträge wie Teilzeitarbeit, geringfügige Beschäftigungen, befristete Arbeit, freie Dienstverträge bzw. Werkvertragsnehmer oder sogar Arbeiten ohne Arbeitsvertrag, wovon fünf Prozent betroffen sind.

Rolle von migrantischen Communitys

„Eine zwiespältige Rolle spielten in der Krise migrantische Communitys“, so das WIIW. Denn stark mit anderen Migranten vernetzte Menschen rutschen häufiger in die Arbeitslosigkeit oder Inaktivität. Andererseits half die Verwurzelung in der eigenen Community, wenigstens eine atypische Beschäftigung zu finden. „Das deutet darauf hin, dass migrantische Netzwerke Geflüchteten sehr oft dabei helfen, Jobs in Nischen zu finden, zum Beispiel bei Zustelldiensten, als Lagerarbeiter oder in Supermärkten“, schreibt Leitner.

Wien „strukturell problematischer“

Die WIIW-Studie zeigt auch ein Problem am Arbeitsmarkt für Flüchtlinge in Wien auf. Es zeige sich ein signifikanter „Wien-Effekt“. Demnach hatten Geflüchtete, die vor Beginn der Coronakrise in Wien lebten, eine deutlich geringere Wahrscheinlichkeit, aus der Arbeitslosigkeit in die Beschäftigung zu wechseln. Der Wiener Arbeitsmarkt sei zwar groß, aber „strukturell problematischer“. Das schlage sich in einer deutlich höheren Arbeitslosenrate nieder. Es zeige sich auch, dass in Wien lebende, inaktive Geflüchtete primär als Arbeitslose und nicht als Beschäftigte auf den Arbeitsmarkt zurückkehren.

Junge Flüchtlinge in Ausbildung betroffen

Sehr problematisch war die Coronakrise auch für junge Flüchtlinge in Ausbildung. Distance-Learning traf die ohnehin oft mit Sprachschwierigkeiten und Lernproblemen kämpfende Gruppe hart. Fast drei von zehn brachen Schule oder Ausbildung ab. Rund ein Viertel der jungen Geflüchteten ist weder erwerbstätig noch in einer Ausbildung. Auch waren viele von Kündigungen oder der Reduzierung ihrer Arbeitszeit betroffen. „Da Geflüchtete überproportional oft in instabilen und atypischen Beschäftigungsverhältnissen tätig sind, waren sie besonders von den negativen Auswirkungen von Covid-19 am Arbeitsmarkt betroffen“, so Co-Studienautor Paul Baumgartner, Policy Analyst am ICMPD.