Ehemaliges Konzentrationslager Mauthausen (28.4.2015)
JOE KLAMAR / AFP / picturedesk.com
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Urteil

OGH gab KZ-Überlebenden im Rechtsstreit gegen „Aula“ recht

Der Oberste Gerichtshof hat Holocaust-Überlebenden – darunter Aba Lewit – in ihrer Auseinandersetzung mit der rechtsextremen Zeitschrift „Aula“ recht gegeben.

Der Gerichtshof attestierte den Unterinstanzen einen Gesetzesverstoß, weil sie Klagen wegen diffamierender Äußerungen in einem Artikel („Landplage“, „Massenmörder“) abgewiesen haben. Rechtliche Folgen hat diese Entscheidungen keine, aber für die KZ-Überlebenden bedeutet sie Gerechtigkeit.

Elt KZ-Überlebende haben geklagt

Geklagt hatten – unterstützt durch die Grünen und Anwältin Maria Windhager – elf KZ-Überlebende, angeführt von dem vergangenen November 97-jährig gestorbenen Aba Lewit. Auch drei weitere Kläger sind mittlerweile nicht mehr am Leben. Für die verbliebenen sieben KZ-Überlebenden war die Klarstellung sehr wichtig, dass man Mauthausen-Befreite nicht ungestraft als „Landplage“ und „Massenmörder“ bezeichnen darf, die „raubend und plündernd, mordend und schändend“ durch das Land gezogen seien, betonte Windhager gegenüber der APA.

Anklage und Berufung von Gerichten abgelehnt

Denn jahrelang war der Versuch gescheitert, medienstrafrechtlich gegen diese Diffamierung durch zwei „Aula“-Artikel 2015/16 vorzugehen. Das Landesgericht für Strafsachen Graz hatte den Antrag abgeweisen, u.a. mit der Begründung, das Kollektiv der Mauthausen-Befreiten sei zu groß, als dass jedes einzelne Mitglied durch die inkriminierten Aussagen persönlich erkennbar wäre. Auch eine Berufung an das Oberlandesgericht Graz hatte keinen Erfolg.

KZ-Überlebenden bekam von EGMR recht

Erst vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bekamen die KZ-Überlebenden erstmals Recht: Die Republik Österreich wurde im Oktober 2019 verurteilt – weil es die Gerichte unterlassen hatten, Lewits Ruf gegen diffamierende Behauptungen zu schützen. Die Republik musste Lewit 648,48 Euro an materiellem Schadenersatz, 5.000 Euro an immateriellem Schadensersatz und 6.832,85 Euro an Prozesskosten (plus Erstattung für Steuern und Zinsen) zahlen.

Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes

Windhager bemühte sich in der Folge, in Österreich eine Erneuerung des Verfahrens zu erreichen. Dies gelang nicht. Aber ihre hartnäckigen Bemühungen, die Generalprokuratur zu einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zu bewegen, waren schließlich erfolgreich – und darüber wurde heute am OGH verhandelt.

Gesetzliche Pflicht zur Begründung von Entscheidungen verletzt

Der Gerichtshof stellte fest, dass Landesgericht und OLG ihre gesetzliche Pflicht zur Begründung von Entscheidungen verletzt haben. Sie hätten prüfen müssen, wie groß der Kreis der Mauthausen-Überlebenden 2016 noch war – und ob nicht doch eine Identifikation des Artikel-Verfassers mit den diffamierenden Äußerungen gegeben war.

Keine rechtlichen Auswirkungen oder Ansprüche

Weitere rechtliche Auswirkungen (also ein neues Verfahren) oder Ansprüche ergeben sich daraus allerdings nicht. Denn hier besteht, merkte Windhager an, in Österreich ein „großes Rechtsschutzdefizit“. Antragsteller könnten in medienrechtlichen Entschädigungsverfahren keine Neuauflage erwirken. Denn die belangten Medieninhaber haben in diesen Verfahren die Stellung eines Beschuldigten – und der Eingriff in rechtskräftige Entscheidungen zum Nachteil eines Beschuldigten ist nicht zulässig.

Grüne wollen sich für Gesetzesreparatur einsetzen

Dies müsste repariert werden, verlangte die Anwältin – und bekam auch hier Unterstützung durch die Grünen. Deren Sprecherin für Vergangenheitspolitik und Rechtsextremismus, Eva Blimlinger, freute sich nicht nur über die erreichte „Gerechtigkeit für KZ-Überlebende“. Sie kündigte auch an, dass die Grünen sich für eine Gesetzesreparatur einsetzen werden.