Illustration zum Thema Kindergarten (7.10.2011)
HERBERT NEUBAUER / APA / picturedesk.com
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Staatenlosigkeit

„Blinder Fleck in der Menschenrechtspolitik“

Laut dem aktuellen „Staatenlosigkeits-Index 2021“, veröffentlicht vom Europäischen Netzwerks für Staatenlosigkeit (ENS), hat Österreich dringenden Reformbedarf, um die Staatenlosigkeit im Land zu verhindern.

Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht hinkt den internationalen Standards in Bezug auf das Recht des Kindes auf eine Staatsbürgerschaft hinterher, heißt es in dem Bericht. In Österreich geborene Kinder bekommen nicht automatisch die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen, wie es in manchen europäischen Ländern der Fall ist.

Hohe Hürden des Staatsbürgerschaftsrechts

ENS-Mitglied Leonhard Call spricht von einem „blinden Fleck in der österreichischen Menschenrechtspolitik“. Er verweist darauf, dass insbesondere staatenlos in Österreich geborene Kinder von den hohen Hürden des Staatsbürgerschaftsrechts betroffen seien. „Die betroffenen Kinder erben den Staatenlosigkeitsstatus meist von ihren Eltern. Sie müssen dann oftmals bis zu ihrem 18. Geburtstag warten, wo sich lediglich ein kurzes zweijähriges Zeitfenster für eine erleichterte Einbürgerung öffnet, über das sie von den Behörden allerdings nicht informiert werden“, so Call. Er betont, dass der UN-Kinderrechtsausschuss Österreich schon lange eine Änderung der Staatsbürgerschaftsgesetze empfehlen würde.

Über 17.000 Menschen staatenlos

Laut der Erhebung des „Staatenlosigkeits-Index“ lebten im Jahr 2020 insgesamt 17.025 Menschen in Österreich, die den Kategorien „staatenlos“ (4.255), „Staatsangehörigkeit unbekannt“ (745) oder „Staatsangehörigkeit ungeklärt“ (12.025) zugeordnet wurden. Es fehle in Österreich an Verfahren sowohl zur objektiven Feststellung als auch zur Verhinderung von Staatenlosigkeit, so der Bericht.

Unsicherheit und Benachteiligung von Geburt an

Für Alexander Pollak, Sprecher der Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch, sind das schockierende Zahlen. „Noch viel unfassbarer ist, dass zwei Drittel der Betroffenen bei uns geboren wurden. Für diese jungen Menschen bedeutet das Unsicherheit und schwerwiegende Benachteiligungen von Geburt an“, kritisiert Pollak die Säumigkeit der österreichischen Politik.

Einbürgerungsinitiative „#hiergeboren“

Laut SOS Mitmensch könnte ein Großteil der Staatenlosigkeitsfälle sehr einfach verhindert werden: sowohl durch die automatische Staatsbürgerschaft bei Geburt für alle hier geborenen Kinder, deren Eltern schon Jahre im Land sind, als auch durch ein rasches Einbürgerungsverfahren für Kinder, deren Eltern erst kurz im Land sind. „Es ist unverantwortlich, Kinder vom Start weg ins Hintertreffen zu bringen“, so Pollak, der auf die Einbürgerungsinitiative „#hiergeboren“ von SOS Mitmensch verweist.