Deutschland

Kein Zuwachs des Antisemitismus durch Migration in 2015

Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat sich besorgt über die zunehmende Salonfähigkeit des Antisemitismus in seinem Land gezeigt.

„Man outet sich heute mit antijüdischen Vorurteilen“, sagte Schuster der „Presse am Sonntag“. Dabei spiele die AfD eine Rolle. Dagegen habe es durch die Flüchtlingsbewegung im Jahr 2015 keinen unmittelbaren Zuwachs des Antisemitismus gegeben.

Rechtsextremismus als Gefahr

Er habe damals „die echte Sorge“ gehabt, dass durch die Flüchtlingswelle „aktiv Antisemitismus nach Deutschland getragen wird“, sagte Schuster. „Das Ergebnis fünf Jahre später ist, dass ein erkennbarer Zuwachs des Antisemitismus unmittelbar durch die Migrationswelle nicht erfolgt ist. Es gibt vielleicht einzelne Fälle, aber nicht in einem großen Ausmaß“, so Schuster, der im Rechtsextremismus aktuell definitiv die größere Gefahr für die Juden in Deutschland erkennt.

Indirekter Effekt der Flüchtlingsbewegung

In diesem Zusammenhang stellte Schuster jedoch einen indirekten Effekt der „sogenannten Flüchtlingskrise“ der Jahre 2015/16 fest. Diese sei nämlich von Parteien und politischen Bewegungen am rechten Rand genutzt worden, „um eine Sorge vor dem Fremden zu schüren und die Haltung zu befördern, alles, was man nicht kennt, abzulehnen. Und da gehört das Judentum dazu.“

Rund 20 Prozent mit antisemitischen Vorurteilen

Der Anteil von Menschen mit antisemitischen Vorurteilen liege in Deutschland „konstant um die 20 Prozent“, sagte Schuster. „Die Veränderung besteht darin, dass man sich heute traut, Dinge zu sagen, die man sich lange Zeit nur gedacht hat. (…) Und aus Worten werden leider häufig Taten.“ Das jüdische Leben in Deutschland bezeichnete der Zentralrats-Präsident grundsätzlich als sicher. Zugleich räumte er ein, dass der mit einer Kippa nicht durch den Berliner Problembezirk Neukölln gehen würde. „Solange ein Schutz jüdischer Einrichtungen nötig ist, liegt etwas im Argen“, betonte er.

Kritik an nachlässigen Justizentscheidungen

Schuster kritisierte auch aus seiner Sicht zu nachlässige Justizentscheidungen bei antisemitischen Vorfällen. So sei etwa der Wurf eines Molotow-Cocktails auf eine Synagoge als politische Äußerung abgetan worden, auch ein Plakat mit der Aufschrift „Israel ist unser Unglück“ sei als freie Meinungsäußerung ungeahndet geblieben. Auch würden Gewalttäter mit einem blauen Auge davonkommen, weil etwa ihre schwere Kindheit als mildernder Umstand angeführt werde.