Flüchtlingslager Kara Tepe auf der griechischen Insel Lesbos. (14.10.2020)
MANOLIS LAGOUTARIS / AFP / picturedesk.com
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Lesbos

Corona legt SOS-Kinderdorf-Projekt quasi lahm

Das von der Bundesregierung finanzierte Projekt einer SOS-Kinderdorf-Betreuungsstätte für geflüchtete Kinder auf der griechischen Insel Lesbos muss erneut einen Rückschlag hinnehmen.

Corona-bedingt liegt die Betreuung der Kinder auf Eis, derzeit darf niemand das Camp Kara Tepe II auf der griechischen Ägäis-Insel verlassen. Das Angebot, 50 bis 100 Kinder in Österreich unterzubringen, sei aber noch immer aufrecht, wie SOS-Kinderdorf heute bekräftigte.

Menschen dürfen Flüchtlingslager nicht mehr verlassen

Zwischenzeitlich konnte SOS-Kinderdorf zumindest 30 Kinder aus Kara Tepe II, das als Ausweichlager nach dem verheerenden Brand des Camps Moria errichtet wurde, in einem bereits vorhandenen Tageszentrum betreuen. Die Kinder wurden dafür täglich mit dem Bus von Kara Tepe II in das bestehende Zentrum in Kara Tepe I gebracht. Aufgrund der verschärften Corona-Maßnahmen auf Lesbos dürfen die Geflüchteten nun jedoch das Camp nicht mehr verlassen. Zumindest sei aber Mitarbeitern von SOS-Kinderdorf derzeit noch der Zugang gestattet, so dass sie ein Mindestmaß an Betreuung und Information gewährleistet werden kann, hieß es seitens SOS-Kinderdorf auf APA-Anfrage.

Nachschau: Österreichs versprochene Kinder-Betreuungsstätte auf Lesbos

Die katastrophalen Zustände in den griechischen Flüchtlingslagern sorgen immer wieder für Diskussion. Statt Kinder aufzunehmen hat die österreichische Regierung zu Weihnachten Hilfe vor Ort angekündigt. Eine neue Betreuungsstätte für 500 Kinder soll entstehen. Was ist drei Monate nach der Ankündigung daraus geworden?

Betreuung von 500 Kindern „nicht realistisch“

Eigentlich sieht das Projekt, dessen Unterstützung die türkis-grüne Regierung kurz vor Weihnachten bekannt gab, die Betreuung von rund 500 Kindern vor. Diese Zahl sei im Moment „nicht realistisch“, sagte SOS-Kinderdorf-Geschäftsführerin Elisabeth Hause am Samstag in der ZiB 1. Es sei nicht auch nicht möglich, hier ein seriöses Datum zu nennen. Das Projekt ist seit Beginn mit Pandemie-bedingten Herausforderungen konfrontiert.

Unterbringung von bis zu 100 Kindern in Österreich möglich

Hauser zeigte sich in dem ZiB-Interview angesichts der „katastrophalen“ Situation frustriert, der derzeitige Zustand sei nicht „menschenwürdig“. Auch die Suche nach einem geeigneten Standplatz für einen Container für die Tagesbetreuungsstätte gestalte sich aufgrund der örtlichen Gegebenheiten sehr schwierig. Man könne aber stattdessen jederzeit 50 Kinder in Österreich unterbringen, nach einiger Zeit auch bis zu 100, bekräftigte sie ein schon früher geäußertes Angebot in Richtung Bundesregierung, das die ÖVP aber bisher ablehnte.

„Wir haben eine klare Linie, dass wir vor Ort helfen“

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) erteilte dem Angebot auch diesmal wenig überraschend eine Absage. „Wir haben eine klare Linie, dass wir vor Ort helfen“, sagte er heute am Rande des EU-Außenministerrates in Brüssel. Damit würden auch „sehr viel mehr Menschen erreicht“. Gleichzeitig räumte er ein, dass die Situation auf Lesbos „unerträglich“ sei und „in Wirklichkeit überhaupt keine Lager dieser Art auf europäischem Boden existieren sollten“. Dass das Projekt noch nicht seinen Soll-Status erreicht hat, sei vor allem der Pandemie geschuldet. „Auch wir sind unzufrieden mit der Situation vor Ort“, so Schallenberg. Mit SOS-Kinderdorf arbeite man aber „sehr gut“ zusammen.

Ablenkung von tatsächlichen Bedürfnissen

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen Österreich kann das Schlagwort einer „Hilfe vor Ort“ im Sinne der Bundesregierung indes offenbar schon nicht mehr hören. Die Nachricht, dass die Kindertagesstätte auf Lesbos nicht umgesetzt werden könne, komme nicht überraschend. Bereits bei der Verkündung des Plans habe man darauf hingewiesen, „dass diese neuerliche Ankündigung vermeintlicher ‚Hilfe vor Ort‘ von den tatsächlichen Bedürfnissen und Notwendigkeiten in den griechischen Lagern ablenkt“, so Ärzte ohne Grenzen Österreich gestern in einer Aussendung. „Seit fünf Jahren ist die Situation eine Zumutung, trotz unzähliger Ankündigungen leben die Menschen immer noch im Schlamm, haben keine ausreichende medizinische Versorgung und nicht einmal ausreichend sauberes Wasser und Sanitäranlagen zur Verfügung.“