Justizministerin Alma Zadic (Grüne) im Rahmen einer PK mit dem Titel „Präsentation Gesetzespaket ‚Hass im Netz‘“ am Donnerstag, 3. September 2020, in Wien.
ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com
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Durch gläserne Decken

Unsere Redakteurin Anna Steinhauser ärgern Benachteiligungen aufgrund von institutionellem Rassismus, d.h. dass man in einer Schule oder einem Beruf wegen der Hautfarbe keine Chance bekommt. Sie wollte mehr dazu erfahren.

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Ana Grilc

Daher bemühte sie sich um ein Interview mit einer Person, die die gläserne Decke durchbrochen hat und als Frau mit ersichtlichem Migrationshintergrund Bundesministerin wurde. Justizministerin Alma Zadić eklärte sich bereit, der jungen Redakteurin Anna Steinhauser ein Interview via Skype zu geben.

Frau Bundesminister, glauben sie, dass Menschen bei uns, die einen ersichtlichen Migrationshintergrund haben, die gleichen Chancen als alle anderen in Österreich haben?

Justizministerin: Jeder von uns, der einen ersichtlichen Migrationshintergrund hat, ist tagtäglich mit der Frage konfrontiert, woher kommt man den wirklich. Und das gibt einem persönlich immer das Gefühl, man gehört nicht dazu und man wächst dann automatisch mit diesem Gedankengut auf, dass man sich immer mehr beweisen muss, dass man immer mehr leisten muss, um ein Teil des Ganzen zu sein. Ich war immer mit dieser Frage konfrontiert. Es gibt ja diesen Bericht aus dem Jahr 2018 der Europäischen Grundrechtsagentur, die gerade bei Menschen, die eine andere Hautfarbe haben und sichtlich anders ausschauen Diskriminierungen feststellt. Eine konkrete Zahl: 46 Prozent erfahren Diskriminierung, wenn sie sich um einen Arbeitsplatz bewerben.

Anna Steinhauser spricht per Sykpe mit Justizministerin Alma Zadić
ORF
Justizministerin Alma Zadić im Gespräch mit Anna Steinhauser
ORF

Welche Hürden mussten sie aufgrund von Rassismus und aufgrund von Sexismus, weil das ja auch immer mithineinspielt, auf den Weg zur Ministerin überwinden?

Justizministerin: Sprachenvielfalt war in der internationalen Anwaltskanzlei, in der ich gearbeitet habe, willkommen und es hat der Mensch mehr gezählt als der Umstand, woher diese Person kommt. Ab dem Moment, wo ich in die Politik gegangen bin, war ich auf einmal das Flüchtlingskind und nicht die Anwältin, Juristin, die Österreicherin. Nein, ich war das Flüchtlingskind. Das hat dann letztendlich dazu geführt, dass ich im Parlament, wenn ich z.B. über Sicherheitsthemen gesprochen habe, mir immer zugerufen wurde, „aber in Bosnien ist es auch nicht sicher und daher hast du kein Recht darüber zu reden“. Ich habe meine Rede damals im Parlament unterbrochen und habe den Abgeordneten, der gesagt hat „wir sind hier nicht in Bosnien“, zurechtgewiesen. Ich habe ihm gesagt, diese Debatte, die wir hier führen, hat nichts mit meiner Herkunft zu tun.

Cybermobbing ist seit 2016 strafbar. Nichts desto trotz geben in einer Studie der Arbeiterkammer aus 2017, 500 steirische SchülerInnen an, dass über 90 Prozent regelmäßig von Mobbing betroffen sind – ein Drittel davon im Netz.

Sie sind die erste österreichische Ministerin mit ersichtlichem Migrationshintergrund, was ja an sich schon unglaublich ist, weil wir schon im Jahr 2020 sind, und sie mussten sich ja einiges Anhören. Könnten sie darüber noch etwas erzählen?

Justizministerin: In den letzten Monaten seit dem ich im Amt bin, hat man über 23.000 Kommentare gesammelt, die strafrechtlich relevant sein könnten. Einige davon waren Personen, die mir den Tod wünschen, die alles mögliche herbeisehnen. Es fällt ihnen schwer zu akzeptieren, dass ein Mensch, der nicht in Österreich geboren ist und einen ersichtlichen Migrationshintergrund hat, in Österreich dieses Amt bekleiden kann. Ich glaube aber trotzdem, dass es ein wichtiges Signal für die Menschen und die Gesellschaft ist, dass jeder, der in Österreich lebt auch alles erreichen kann.

Auch an Österreichs Schulen wird die Herkunft zum Problem. Kinder und Jugendliche werden eingeschüchtert, ausgegrenzt, isoliert und verspottet.

Hass im Netz ist ja keine Seltenheit. Natürlich kommt das öfter vor, wenn man in einer öffentlichen Position ist, aber es kommt in jedem Bereich vor, deswegen würde mich interessieren, wie man sich persönlich rechtlich dagegen schützen kann?

Justizministerin: Wir planen jetzt auch ein Gesetzespaket, mit dem wir auch ganz klar feststellen wollen: Hass im Netzt ist kein Kavaliersdelikt, man kann im Netz nicht alles machen.

Die Beratungsstelle ZARA ermöglicht, dass Opfer von Rassismus jeden Alters rasch und effizient zu ihrem Recht kommen.

Ich wollte wissen, wie man oder wie sie allgemein mit Rassismus umgehen, sei es auf der Straße, im Netz oder auch in der Politik. Haben sie da Tipps für Personen mit den gleichen Problemen? Vor allem junge Personen, die noch nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen?

Justizministerin: Ich glaube es ist wichtig, sich immer zu verinnerlichen, dass diese Personen, die das machen, selbst ein Problem mit ihrer Umgebung haben. Diese Attacken haben nicht mit mir selbst zu tun und man ist deshalb nicht weniger wert.

Frau Bundesminister, es würde mich sehr freuen, wenn wir das Interview auch persönlich weiterführen könnten, wenn die ganze Corona-Situation abgeflacht ist.

Justizministerin: Voll super, dass du diese Initiative ergriffen hast und ich freue mich auf das persönliche Kennenlernen.

Die Juristin Alma Zadić wurde im bosnischen Tuzla geboren. 2017 kam sie mittels Liste Pilz in den österreichischen Nationalrat. Im Jänner 2020 wurde sie Justizministerin der türkis-grünen Koalitionsregierung. Das Interview wurde im Frühjahr während des ersten Corona-Lockdowns geführt. Mittlerweile wurde das Gesetzespaket „Hass im Netz“ auch schon im Parlament beschlossen.