EsRap – Esra und Enes Özmen
Tim Cavadini
Tim Cavadini
Release

EsRap mit ihrem neuem Album „Mamafih“

Das Geschwisterpaar Esra und Enes Özmen sind in Wien-Ottakring aufgewachsen. Als EsRap erobern sie die Bühnen – auch über die Grenzen Österreichs hinaus. Ihre besondere Mischung aus deutsch-türkischen Texten und arabeskem Gesang findet großen Anklang.

Herausragend ist auch ihre Gabe, Menschen aus unterschiedlichsten Milieus für ihre Musik zu begeistern. Ein Gespräch über Identität, Zugehörigkeit, Autofahren und das neue Album „Mamafih“, das vor Kurzem im Yppenpark im 16. Bezirk in Wien bei der „TschuschistanParty“ vor mehreren Hundert Menschen präsentiert wurde.

Album „Mamafih“ von EsRap – Enes und Esra Özmen
Tim Cavadini

Ihr habt das Album an einem Ort, der in Wien für Vielfalt und friedliches Zusammenleben steht, vorgestellt. Das Publikum war sehr durchmischt: kopftuchtragende Frauen, Standler vom nahe gelegenen Brunnenmarkt, so genannte Bobos und in der ersten Reihe Kinder aus dem Bezirk. Alle haben getanzt und eure Musik gefeiert. Ihr seid wohl die einzige Band in Österreich, die eine so vielfältige Fan-Gemeinde hat.

Esra: Ich glaube, die Bobos mögen uns, weil ich eine Frau bin, die rappt. Und sonst bin ich eine Person, die sich gerne zeigt. Ich gehe gerne über den Markt und spreche mit den Leuten. Außerdem war ich eine der ersten migrantischen Frauen, die offen gesagt hat: „Ich bin Ausländerin mit Vergnügen.“ Dieses Selbstbewusstsein gefällt den Menschen.

Enes: Ja, und viele kennen dich, weil du studiert hast. Sonst würden dich die Intellektuellen nicht kennen.

Esra: Ja, ich bin diplomierte Rapperin und seit ich Magistra bin, nehmen mich die Menschen als Künstlerin viel ernster.

Esra, du hast ja als Erste aus deiner Familie ein Gymnasium besucht. Wie war diese Zeit für dich?

Esra: Ich war in der Klasse mit Österreichern und habe mich sehr einsam gefühlt. Ich bin immer ganz hinten gesessen, war viel allein. Die Österreicher lieben Sport, Rad fahren, Bioessen. Ich dachte, wenn das Österreich ist, dann gehöre ich nicht dazu. Wir sind am Wochenende immer grillen gegangen.

Enes: Aber auch bei der türkischen Community fühle ich mich nicht wirklich zu Hause. Die sprechen gerne über Fußball und das interessiert mich nicht. Das ist in Berlin anders. Da gibt es viel mehr Vielfalt innerhalb der türkischen Community. Da gibt es vegane Türken und auch türkischsprachige Polizisten.

EsRap – Esra und Enes Özmen
Tim Cavadini

Das heißt, ihr fühlt euch nicht zu Hause hier in Wien?

Enes: Das Gefühl von Heimat ändert sich immer wieder. Ich fühle mich wohl in Wien, obwohl ich auch immer wieder Rassismus und Ausgrenzung erfahre. Sehr schwierig ist es mit Institutionen, Behörden oder auch in der Schule. Aber als zum Beispiel der Terroranschlag in Wien war, das hat mir so weh getan. Ich war damals gerade in der Türkei und ich wollte unbedingt irgendwie helfen.

Esra: Ich denke viel darüber nach und denke, dass Migration schon ein Trauma ist. Wenn mich jemand zum Beispiel in der Straßenbahn anschnauzt, weil ich die Maske zu spät aufsetzte, da zucke ich zusammen oder werde wütend. Meine Mutter kann damit viel besser umgehen. Sie ist erst mit 24 Jahren nach Wien gekommen und ich glaube, sie war da schon viel stabiler mit ihrer Identität. Sie nimmt sich die dummen Kommentare nicht so zu herzen. Ich finde die Suche nach Identität sehr anstrengend. Man muss immer wieder in sich selbst hören und sich mit sich beschäftigen. Die Leute, die unsere Musik hören, fühlen sich irgendwo dazwischen. Wie wir auch.

Konzerte:

  • 12.8.2022 Innsbruck / Botanica – Sommerfest im Botanischen Garten
  • 18.9.2022 Wien / Konzerthaus
  • 9.12.2022 Linz / Stadtwerkstatt

Euer neues Album „Mamafih“ bedeutet auf Türkisch „jedoch“ oder „trotzdem“. Es wurde von Testa produziert. Ihr habt diesmal zum ersten Mal bei einigen Liedern die Rollen getauscht: Esra, du singst und Enes, du hast dich im Rappen ausprobiert.

Esra: Ja, das ist nicht leicht für mich, denn ich bin Rapperin und keine Sängerin. Aber ich liebe den Kampf und Neues auszuprobieren.

Enes: Und ich finde Rappen schwer. Ich rede einfach zu schnell. Auch im Alltag. Da sagen mir die Menschen immer "langsam, langsam.“ (beide lachen)

Die Beats sind diesmal etwas mehr an House und Trap orientiert und „verströmen ein intensives Club-Feeling“, wie es in der Beschreibung heißt. Ihr wechselt sehr mühelos zwischen Türkisch und Deutsch und seid auch dem arabesken Gesang immer noch treu geblieben. Was ist sonst anders beim neuen Album?

Esra: Früher habe ich einfach einen Text geschrieben und Enes hat seinen Teil getrennt geschrieben und das hat einfach zusammengepasst, sehr intuitiv. Diesmal war es anders, denn wir haben zum ersten Mal sehr viel Zeit im Studio mit dem Produzenten Testa verbracht.

Enes: Wir haben zwei Jahre daran gearbeitet. Die Themen sind immer noch dieselben: Migration, Ausgrenzung, Liebe, türkisches Drama, …

Esra: … politische und emotionale Auseinandersetzungen mit unserem Leben.

EsRap – Esra und Enes Özmen
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Ihr richtet euch in den Liedern häufig an die Mehrheitsbevölkerung, gebt direkte Antworten auf ausländerfeindliche Äußerungen, wie z.B. im Song „Warum“.

Esra: Ja, den Menschen gefällt mein Auftreten nicht. Vor allem von der Polizei werde ich oft schlecht behandelt, wenn ich mit dem Auto unterwegs bin. Die ziehen einen mit ihrem Verhalten echt runter.

Ihr seid beide große Autofans und kritisiert im Lied „Artist“ auch die Tempo-30-Zone auf der Ottakringer Straße. Eine stark befahrene Straße im 16. Bezirk. Warum?

Esra: Ich finde das Autofahren sehr feministisch. Es ist für viele Migrantinnen ein Safe Space. Meine Mutter hat ihren Führerschein sehr spät gemacht und sie liebt es, mit ihren Freundinnen am Wochenende rauszufahren. Es bedeutet Unabhängigkeit. Manche Frauen haben Angst, in der Nacht mit der U-Bahn zu fahren.

Enes: Ich bin ein gläubiger Mensch und diskutiere gerne über den Islam, was ist richtig und was falsch. Ich richte mich danach und der Islam sagt auch, man soll nicht verschwenden und das Universum gut behandeln. Aber was das Autofahren betrifft, da bin ich einfach so daran gewöhnt. Es gibt im türkischen ein Sprichwort: Ein gewohnter Mensch ist schlimmer als ein Verrückter (lacht). Es gehört einfach zu meinem Leben, dass wir uns mit Freunden an der Tankstelle treffen, Red Bull trinken, Tschick rauchen und unsere Autos präsentieren.

Wir hatten im Jahr 2013 hier am selben Ort am Yppenplatz unser erstes gemeinsames Interview für „Heimat Fremde Heimat“. Damals habt ihr gerade angefangen mit eurer Musik und wurdet von den Menschen noch nicht ganz ernst genommen. Wie ist das heute?

Enes: Menschen lieben Erfolg. Als die Familie gesehen hat, dass wir Fortschritte machen und wir lieben, was wir tun, haben sie uns unterstützt.

Esra: Anerkennung macht das Leben leichter. Ich war immer schon anders und meine Mutter hat mich dabei immer gestärkt. Sie hat anderen Eltern erklärt, dass ich rappe und was das ist und so. Für mich ist Rap wie Parkemed. Es befreit mich vom Schmerz und macht das Leben leichter. Nach jedem Song geht es mir besser.

Wie geht es jetzt mit EsRap weiter? Was wünscht ihr euch zu erreichen?

Esra: Stadthalle, ich möchte in der Stadthalle spielen.