Slawistik, Uni Wien, Sommerfest
Dorothea Newerkla | ORF Volksgruppen
Dorothea Newerkla | ORF Volksgruppen
Wissenschaft

„Ja, diese Tschechen sind fein" – Das Studium der Bohemistik an der Universität Wien

Derzeit genießen die österreichischen Schüler und Schülerinnen, Studierende und Lehrende die allerletzten Tage ihrer wohlverdienten Ferien. Doch für diejenigen, die dieses Jahr maturierten, fand ein besonderer Sommer statt: Wer die Hochschulreife erlangte, stand vor der Qual der Studienwahl. Für Kurzentschlossene und zukünftig Interessierte berichten wir über das Tschechisch-Studium am Institut der Slawistik der Universität Wien. Auf dem dortigen Sommerfest haben wir Studierende und Lehrende nach ihren Erfahrungen befragt.

Obwohl alle Studierenden und Lehrenden Mitte Juni schon kurz vor den Prüfungszeit standen, war Hof 3 gut gefüllt. Kein Wunder, schließlich fand das traditionelle Slawistik-Sommerfest nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause endlich wieder statt. Im Hof waren zusätzliche Sitzgelegenheiten aufgestellt, Musik wird aus Lautsprechern gespielt und die Anwesenden unterhalten sich in einem bunten Mix aus Sprachen. Auch für das leibliche Wohl war gesorgt: Es wurde eine große Auswahl an Speis und Trank angeboten.

Slawistik, Uni Wien, Sommerfest, Plakat
Dorothea Newerkla | ORF Volksgruppen

Das Studiengänge der Anwesenden sind vielfältig, ist doch die Universität Wien eine der wenigen Universitäten, außerhalb des slawischen Raumes, die eine sogenannte „Vollslawistik“ – also sämtliche slawischen Sprachen – anbieten. Hinzu kommt, dass man hier Bachelor-, Master- und Doktoratsstudien, sowie Bachelor- und Masterstudium auf Lehramt absolvieren kann. Eine der Doktoratsstudentinnen hier ist Agnes Kim, die schon seit ihrem Bachelorstudium Slawistik mit Fokus auf Tschechisch an diesem Institut lernt.

Agnes Kim begann mit 18, Germanistik an der Universität Wien zu studieren. Im Rahmen dieses Studiums befasste sie sich näher mit dem Leben und den Arbeiten Franz Kafka und erfuhr so auch von seiner Brieffreundin und zeitgenössischen Schriftstellerin, Milena Jesenská. Der Großteil ihrer Werke war allerdings nur auf Tschechisch zugänglich. So schrieb sie sich am Institut für Slawistik ein, um Tschechisch zu lernen. Agnes verliebte sich in das Studium der tschechischen Sprache und verbrachte sogar ein Auslandssemester an der Masaryk-Universität in Brünn, wohin sie immer wieder gern zurückkehrt.

Nun, einige Jahre später, hat Agnes soeben ihre Dissertation eingereicht, die sich mit der Beschreibung von slawischen Wörtern in Wörterbüchern des Wienerischen befasst und ist außerdem wissenschaftliche Projektmitarbeiterin am Institut für Slawistik. Das Institut beschreibt sie in ihren eigenen Worten als „Ort, an dem sie sich sehr wohlfühlen kann“. Milena Jesenskás tschechische Werke hat sie übrigens immer noch nicht gelesen, wie sie uns verrät, doch sie hofft, dass sie bald Zeit dafür findet.

Slawistik, Universität Wien, Sommerfest
Dorothea Newerkla | ORF Volksgruppen
Zu Beginn des Sommerfests in Hof 3 am UniCampus in Wien.

Sie ist bei weitem nicht die einzige, die sich für tschechische Literatur und Kultur interessiert: Besonders das Studium der Bohemistik an der Universität Wien kann auf eine lange Vergangenheit zurückblicken. Bereits im Oktober 1775 – vor fast 250 Jahren – wurde der Unterricht der tschechischen Sprache und Literatur und damit der ersten lebenden Sprache nach Deutsch an der Universität Wien eingeführt.

Vom dem aus Velehrad in Mähren stammenden ersten Tschechisch-Professor der Universität Wien, Josef Valentin Zlobický, wurde ein erster Vorschlag für ein Studium der slawischen Sprachen ausgearbeitet. Seine Idee war revolutionär für die damalige Zeit und wurde auch bei der Etablierung der romanischen Sprachen an der Universität Wien umgesetzt.

Zlobickýs Methode für Sprachvermittlung beruhte nicht nur auf bloßer Grammatik oder Sprachkursen, vielmehr sollten Studenten parallel zum Sprachunterricht auch Vorlesungen über Landeskunde, Literatur, Landesgeschichte und Sprachgeschichte, vergleichende Sprachwissenschaft und Kultur absolvieren. All diese Themen sind bis heute im Studienplan erhalten. Die Vorlesung „Einführung in die tschechische Areal- und Kulturwissenschaft“ – Pflicht für alle Studierenden, die ein Bachelor-Studium der Slawistik mit Fokus auf Tschechisch absolvieren wollen – wurde in den vergangenen Semestern mit Eifer von Dr. Markéta Schürz Pochylová abgehalten.

Dr. Schürz-Pochylová ist seit 2017 als Lektorin tätig. Hier in Wien ist sie nicht nur am Institut für Slawistik beschäftigt, sondern arbeitet auch im Haus der Internationalen Zusammenarbeit. An der Universität unterrichtet sich auch Tschechisch-Sprachkurse. Sie beschreibt es als eine Herausforderung, dass in ihren Kursen oft Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund aufeinandertreffen – von Studenten, die mit ohne Sprachkenntnisse beginnen, bis hin zu Muttersprachlern, die das tschechische Komenský-Gymnasium besucht haben. Dennoch ist sie in der Lage, den Kurs so anzupassen, dass er für alle interessant und informativ ist. Es käme häufig vor, dass eine Gruppe von Studierenden mehrere Semester lang gemeinsam einen Sprachkurs besucht.

Was ihr am Unterrichten am meisten gefällt, ist zu sehen, „dass die Schüler verstehen, was ich sage, und dass sie Fortschritte machen. Zum Beispiel kommen sie mit null Tschechischkenntnissen zu mir und nach einem Jahr spreche mit ihnen fast nur mehr Tschechisch, und sie antworten mir auf Tschechisch, und ich sehe, dass sie interessiert sind, dass es ihnen Spaß macht, und wie sie sich ihrerseits verbessern.“

Neben den Sprachkursen unterrichtet sie auch die Vorlesung über die tschechische Kultur- und Arealwissenschaft und freut sich sehr, den Schülern die reiche tschechische Kultur, Kunst, Geschichte und Mentalität näher bringen zu können. „Ich stelle mir vor, dass ich der erste Tscheche bin, den der Student trifft. Und das motiviert mich sehr, die tschechische Mentalität so gut wie möglich zu präsentieren. Wenn ich der Erste bin, möchte ich so sein, dass sich der Student sagt: ‚Ja, diese Tschechen sind fein‘“.

Dr. Markéta Schürz Pochylová, Slawistik, Universität Wien
Dorothea Newerkla | ORF Volksgruppen
Dr. Markéta Schürz Pochylová unterrichtet an der Universität Wien nicht nur mit Begeisterung den Tschechisch-Sprachkurs, sondern auch die tschechische Areal- und Kulturwissenschaft.

Eine gute Meinung über Tschechen und tschechische Kultur scheint – zumindest am Institut für Slawistik angekommen zu sein. Einige Studenten bitten, in diesen Artikel zu inkludieren, dass sie tschechische Knödel gegessen haben: Dies sei das Highlight ihrer Woche gewesen!

Auch die Studentin Liwia studiert erst im Bachelorstudium Tschechisch, wollte das Interview aber bereits auf Tschechisch führen. Sie kommt ursprünglich aus Polen, habe sich schon immer für Wien interessiert und wollte eine Fremdsprache lernen. Die Entscheidung für Tschechisch, fiel weil sie die tschechische Kultur und Literatur fasziniert – insbesondere die Werke von Michal Kundera, Bohumil Hrabal und Michal Viewegh. Bis jetzt gefallen ihr an ihrem Studium am meisten die vielen Diskussionsmöglichkeiten, alles, was mit Literatur zu tun hat, und die große Zahl der Tschechen in Wien. Außerdem trinke sie gerne tschechisches Bier. An Institut für Slawistik der Universität Wien schätzt sie besonders das hohe Wissen der Professoren, die Motivation ihrer Kommilitonen und die Tatsache, dass sie viele interessante Menschen kennenlernt!

Slawistik, Uni Wien, Meme, slavic languages
Dorothea Newerkla | ORF Volksgruppen
Ein Aushang in einem Gang des Instituts für Slawistik beweist Humor.

Wer jetzt ebenfalls auf den Geschmack gekommen ist, dem bleibt noch bis Montag, dem 5.9. um an der Universität Wien den Antrag für ein Bachelor-Studium im Bereich der Slawistik zu stellen. Es gibt keine Aufnahmeprüfung, auch Sprachkenntnisse der slawischen Sprache werden nicht vorausgesetzt. Sollte jemand bereits einen Bachelor absolviert haben und sich nicht nur für eine Sprache entscheiden wollen: In Kooperation mit anderen Instituten werden an der Universität Wien etwa die Masterstudien „Interdisziplinäre Osteuropastudien“ oder „Internationale Betriebswirtschaft“ angeboten.

„Jé, ti Češi jsou fajn“ – Studium bohemistiky na Vídeňské univerzitě | Artikel auf Tschechisch