Radio Dráťák Magazin

Slovanská Beseda | Verteidigende Brücke der Volksgruppen

„Er sollte etwas Neues anbieten, was sowohl der slowakischen, als auch der tschechischen Volksgruppe in Zukunft helfen könnte“, erzählt Mojmír Stránský, der Vorsitzende des erneuerten Wiener Vereins.

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24.8.2020 | 21:10 | Radio Burgenland Livestream

Es ist nicht so lange her, dass traditionelle Wiener Volksgruppenvereine wie der Gesangverein Lumír und der Akademische Verein mit frischem Lebenselan erfolgreich in eine neue und aktive Etappe hervortraten. Ins Zentrum des Volksgruppengeschehens rückt nun ein weiterer in dieser Reihe – Slovanská Beseda| Slawisches Gespräch mit dem Historiker und Pädagogen Mojmír Stránský. Mit der Erneuerung dieses Vereins begann er auf Veranlassung der Historikerin Vlasta Valešová. Es war gerade sie, die sich darum bemühte, seinen Neustart ernsthaft durchzusetzen.

„Er sollte etwas Neues anbieten, etwas, was sowohl der slowakischen als auch der tschechischen Volksgruppe in Zukunft helfen könnte und das nicht nur zum größeren politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Überblick, sondern vor allem auch zum Durchsetzen gewisser politischer Angelegenheiten, die uns noch ein bisschen bremsen. Dazu gehört beispielsweise die Verbesserung der finanziellen Situation des tschechischen und slowakischen Schulwesens in Österreich“, erzählt Mojmír Stránský, der Vorsitzende des erneuerten Wiener Vereins.

Mojmir Stransky Slovanska Beseda
orf | pavla rašnerová
"Slawisches Gespräch sollte wieder eine Brücke in Zukunft sein, wo alle, die sich für die Volksgruppenproblematik interessieren, im Rahmen der „Gespräche/ besedy" die Möglichkeit hätten seine Meinungen auszutauschen“ | Mojmír Stránský, der Vorsitzende des Slovanská Beseda

"Ich wollte gerne an das Medium anknüpfen, das Hana Herdová aus der Wiener tschechischen Zeitung Vídeňské svobodné listy | den Freien Wiener Blättern begann zu verwenden. Es ist eine Form der Gespräche, die wir erneuern wollten. Im Rahmen derer arbeiten wir zusammen bereits sowohl mit Vídeňské svobodné listy | den Freien Wiener Blättern, České srdce | dem Tschechischen Herzen, als auch mit Akademický spolek | dem Akademischen Verein zusammen. Das Ziel wäre eine Plattform zu haben, auf der Diskussionskreisen alias Gespräche mit interessanten Persönlichkeiten möglich wären, die mit dem tschechischen und slowakischen Wien etwas gemeinsam haben oder eine bereichernde Sicht auf Volksgruppen als solche mitbringen.

Weiters bietet sich in Wien die Zusammenarbeit zum Beispiel auch mit der polnischsprachigen oder der kroatischen oder ungarischen Volksgruppe an", erzählt Mojmír Stránský, seit 2018 Vorsitzender des Vereins Slovanská Beseda | Slawisches Gespräch .

Zusammenarbeit der slawischen Völker in der Zeit des Polizeistaates

In allen Anfängen des Vereins waren seine Donatoren vor allem Vertreter der slawischen Adeligen aus den Reihen der Czernins, Harrachs, Schwarzenbergs, Kinskis oder Czartoryskis und Lubomirskis.

Der Name „Slovanská Beseda“ entsteht in der Zeit, als das Slawentum als Bestandteil des politischen Kampfes gesehen wurde. Über die Österreichische Monarchie in der Mitte des 19. Jahrhunderts, in der Zeit des neoabsolutistischen Staates, kann man von einen „Polizeistaat Österreich“ sprechen.

1859 bekommt die Republik eine neue Verfassung, womit sich die Volksgruppen beginnen, organisieren zu können. Am Anfang geht es aber eher um Kreise als um registrierte Vereine. „Diese Basis führt dazu, dass verschiedene Kreise der Adeligen, Unternehmer, Beamten, Politiker und Ärzte in 1960er Jahren beginnen zu kooperieren, um leichteren Zugang zu hochwertigen Zeitungen, allgemein zur Literatur, die in Sprachen der Monarchie geschrieben wird, in Wien zu ermöglichen“, spricht Stránský weiter.

Das Jahr 1865 ist das Jahr der Gründung des Vereins Slovanská Beseda. Er ist als Versuch zur Zusammenarbeit aller slawischen Völker im Rahmen der Österreichischen Monarchie wahrgenommen worden. Um schon zwei Jahre später kommt es aber zur Teilung und es entsteht das duale österreichisch-ungarische System, wodurch Slovanská Beseda großteils seine kroatischen und serbischen Mitglieder verliert. In der Zeit wird gleichzeitig auch ein neues Volksgruppengesetz geboren, das die Formierung neuer Vereine ermöglicht, was selbstverständlich weitere Mitgliederverluste mit sich bringt, aber auch finanzielle Probleme.

Mojmir Stransky Slovanska Beseda
orf | pavla rašnerová

„Der Verein transformierte sich dann dadurch, dass wichtige Vertreter des tschechischen politischen und kulturellen Lebens nach Wien kommen. Unter den Politikern war es zum Beispiel Pražák. Später werden der Historiker Palacký oder der Unternehmer Josef Hlávka zu wichtigen Unterstützern des Vereins und damit gelangt Slovanská Beseda in eine bessere finanzielle Situation. Seine besten Jahre erlebt er zwischen den Jahren 1880 und 1914, als er sich stark engagiert. Nie ging es um die Erschaffung einer eigenen Blase, sondern um die Durchsetzung bestmöglichen Rechte für Volksgruppen, die nicht als autochthone Wiener Volksgruppen wahrgenommen wurden, sondern damals als niederösterreichische“, beschreibt Historiker Mojmír Stránský die Blütezeit von Slovanská Beseda.

Tschechisches Haus | Zufluchtsort der slawischen Bevölkerung

Den Ersten Weltkrieg über hält die Tätigkeit des Vereins zwar an, aber inoffiziell werden die Räumlichkeiten des Slovanská Beseda in der Drachengasse als „gefahrloses Versteck“ genutzt, in denen sich sowohl die tschechische und slowakische, als auch die slowenische Volksgruppe treffen und frei sprechen können, weil die slawische Bevölkerung von der damaligen Polizeidirektion als Gruppe möglicher Verräter gesehen wurde.

„Nach dem Jahr 1918, nach dem Ausgleich der Verhältnisse mit dem österreichischen Staat, war Slovanská Beseda ein Organisator, ein Koordinierungselement und eine Brücke zwischen Österreich und der Tschechoslowakei“, spricht Stránský vom neuen Vereinsanfang nach dem Kriegsende.

Die 1940er Jahre | Fatale Jahre für die Volksgruppen

Die nächste, nicht leichte, Existenzetappe des Vereins ist der Zweite Weltkrieg, während dem das tschechisch-slowakische Volksgruppenleben radikal unterdrückt wird. Wieder ist es das Tschechische Haus, heute das Hotel Post, in dem Menschen aus der Volksgruppe eine Zuflucht finden können.

Der Krieg endet zwar, aber das Volksgruppenleben befindet sich noch weiter auf hauchdünnem Eis. Mit der Entstehung des Repatriierungsbüros kommt der Verein und im Allgemeinen die ganze Volksgruppe um weitere werte Angehörige. Die Orte nach der vertriebenen deutschsprachigen Bevölkerung in der Tschechoslowakei sollten unter anderen auch von den Wiener Tschechen besiedelt werden.

Weiter ist es in der Tschechoslowakei das Jahr 1948, das beiden Volksgruppen einen großen Schlag bereitet. Die Machtübernahme der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei führt für die österreichische Volksgruppe eine nicht leichte Frage ein, ob man mit dem neu errichteten sozialistischen Staat kooperieren soll oder nicht.

Noch dazu wird die ganze Situation dadurch schwieriger gemacht, dass Österreich bis 1955 selbst ein besetzter Staat ist und zu diesem Zeitpunkt spielt hier auch die sowjetische Regierung eine große Rolle.

Mojmir Stransky Slovanska Beseda
orf | pavla rašnerová
Am Institut für Osteuropäische Geschichte der Universität Wien widmet sich Mojmír Stránský der Forschung der Transformation quer durch demokratische und staatssozialistische Staaten vor allem des Raumes der mittel- und osteuropäischen Länder im Laufe des 20. Jahrhunderts und Anfang des 21. Jahrhunderts

Slovanská Beseda um die Jahrhundertwende

„Im Laufe der 1980er und 1990er bemüht sich Slovanská Beseda mit aktiveren Teilen der Volksgruppe zu kooperieren. Hier würde ich gerne den Akademischen Verein und seinen damaligen Vorsitzenden Ota Češka nennen. Weiter ist es die Familie Kalousek, die Slovanská Beseda aktiv am Leben hielt. Erst mit dem Anbruch der Europäischen Union und der Grenzöffnung beginnt sich die Volksgruppensituation zu verbessern“, sagt der gegenwärtige Vorsitzende des Vereins Mojmír Stránský.

Seinen Worten nach dauerte die Öffnung der Volksgruppe etwas länger als es notwendig war und deswegen gelingt auch der „Vereinsrestart“ zunächst in nur kleineren Schritten.

Na kus řeči se senátorem Tomášem Czernínem
Samstag 17. Oktober, 17:00 Uhr
Slovanská beseda, Drachengasse 3, 1010 Wien

Der Weg des Historikers und Pädagogen Mojmír Stránský nach Österreich

1983 emigrierte Mojmír Stránský mit 13 Jahren zusammen mit seiner Familie über Jugoslawien nach Österreich. In der Komenský-Schule besuchte er den letzten Jahrgang der Grundschule und heute unterrichtet er Geschichte auf dem bilingualen Realgymnasium Komenský in der Schützengasse. Neben seiner Aufgabe als Lehrer ist er auch Universitätsassistent am Institut für Osteuropäische Geschichte der Universität Wien, an der er unter anderem auch die Geschichte Osteuropas studierte.

Slovanská Beseda mostem hájícím menšiny | Rádio Dráťák | 24.8.2020 (Artikel auf Tschechisch)

Im aktuellen Magazin Radio Dráťák werden Sie Mojmír Stránský hören, der nicht nur von der Geschichte des Vereins Slovanská Beseda erzählen wird, sondern auch von seinen Visionen für diesen. Durch die Sendung begleitet Sie Pavla Rašnerová. Die News wurden von Tereza Chaloupková konzipiert.