Vortrag zum historischen Jahr 1989 im Österreichisch-Slowakischen Kulturverein mit Historikerin Beáta Katrebová Blehová
yvonne erdost
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Geschichte

Das Jahr 1989 | erklärt im Österreichisch-slowakischen Kulturverein

Über die Zusammenhänge von Ronald Reagan und die Schwächung der Sowjetunion, Mythen um 1989, Liberalisierung und schließlich den Fall des sogenannten „Eisernen Vorhangs“, sprach im Österreichisch-Slowakischen Kulturverein jüngst die Historikerin Beáta Katrebová Blahová.

On demand | Rádio Dia:tón | 25.11.2019

„Man kann sagen, dass Gorbatschows Perestroika die Antwort auf den neuen auslandspolitischen Kurs Ronald Reagans war. Natürlich wäre das Jahr 1989 ohne Gorbatschow nicht möglich. Seine Perestroika waren in erster Linie wirtschaftliche Veränderungen, die sogenannte „Politik des neuen Denkens“, er hat die Wirtschaft „entstalinisert“, sich den westlichen Ländern gegenüber geöffnet. Das war bis dahin nicht denkbar. Bis dahin herrschte der Klassenkampfgedanke“, erklärt die Historikerin Beata Katrebová Blahová aus der slowakischen Institution für das Volksgedenken.

Vortrag zum historischen Jahr 1989 im Österreichisch-Slowakischen Kulturverein mit Historikerin Beáta Katrebová Blehová
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Mitglieder des Österreichisch-slowakischen Kulturvereins in Wien beim Vortrag über eine Zeitgeschichte, die die meisten im Raum emotional mitverfolgt haben

Vor allem in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre gab es eine große Welle an Aufmärschen und Wallfahrten der katholischen Bewegung in der Slowakei. Bei der traditionellen Wallfahrt nach Levoča beispielsweise beteiligten sich damals etwa 250.000 Menschen. Das überraschte auch das Kommunistische Regime, erwähnt Katrebová Blehová während ihres Vortrags in Wien.

Immerhin habe sich diese Politik seit 40 Jahren bemüht, die Religiosität zu bannen. Einschreiten konnte man damals nicht mehr, die Gesetze hatten es nicht vorgesehen, doch aufgezeichnet und protokolliert wurden diese Wallfahrten mit ihren Teilnehmern/innen sehr wohl.

Die Teilhabe der Vereinsmitglieder an diesem Abend mündete in eine rege Diskussion über eigene Erfahrungen, Erinnerungen und Empfindungen zu dieser in vielerlei Hinsicht so historischen Epoche.

Vortrag zum historischen Jahr 1989 im Österreichisch-Slowakischen Kulturverein mit Historikerin Beáta Katrebová Blehová
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Am 28. März gipfelte die katholische Protestbewegung in der Slowakei in die sogenannte „Kerzenmanifestation“, die zu einer der größten oppositionellen Auftritte ganz Mitteleuropas wurde. In Tschechien war es die Woche Ján Pallachs im Januar 1989. Das Regime reagierte mit verschärften Maßnahmen gegen die Teilnehmer/innen solcher Manifestationen.

„Das Regime hatte gar nicht so viel Angst vor religiösem Aktivismus, sondern eher der nationalen und propatriotischen Einstellung der Slowaken, diese wurde lange tabuisiert und kam in den 1980er Jahren wieder vermehrt an die Oberfläche“, so Katrebová Blehová.

Dass es in Tschechien und der Slowakei damals zwei parallel stattfindende Protestbewegungen, hebt die Bratislaver WIssenschafterin Beáta Katrebová Blehová hervor. Alleine die Bezeichungen unterscheiden sich schon voneinander: Während man heute in der Slowakei, 30 Jahre nach der „Sanften Revolution“ feiert, sind die Novemberereignisse 1989 in Tschechien unter dem Namen „Samtene Revolution“ bekannt.

Man spreche heute wenig davon, dass es in der Slowakei am 16. November den sogenannten „Marsch der Studenten“ im Zentrum von Bratislava gab. Das war einen Tag vor der Demonstration in Prag, die brutal zerschlagen wurde, obwohl sie die Erlaubnis dafür zuvor erhalten habe. Die ersten Streiks wurden von den Studenten initiiert, dann folgten die Theater und später auch die breite Öffentlichkeit. Gründungen des „Bürgerforums | Občianske fórum“ in Tschechien und der slowakischen Bewegung „Öffentlichkeit gegen Gewalt | Verejnosť proti násiliu“ folgten, so begann der Dialog mit der Führung der Kommunistischen Partei über die schrittweise Übergabe der Macht.

Hören sie das gesamte Interview in slowakischer Sprache im aktuellen Magazin der slowakischen Volksgruppe in Österreich, Rádio Dia:tón | 25.11.2019 | 21:40 Uhr | ORF Radio Burgenland | livestream

Am 22. November fand in Bratislava die erste Massendemonstration statt. Hier sprechen wir von Hunderttausenden von Menschen, die mit ihren Schlüsselbünden in der Hand, ihre „Freiheit“ einläuten wollten. „In der Slowakei wurde dann auch die Diskussion um die Form der Föderation laut. Man diskutierte z.B. darüber, wie viel Kompetenz die eigenständigen Regierungen haben sollen, wie viel die Föderation, wie der Name des Staates künftig sein soll, also bestimmte nationale Gedanken traten nun wieder hervor“, so Katrebová Blehová.

Im Juni 1990 beendeten die ersten freien demokratischen Wahlen in der Tschechoslowakei endgültig die Ära des Realen Sozialismus.

Meldung auf slowakisch

Rok 1989 | vysvetlený v Rakúsko-slovenskom kultúrnom spolku ==