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MAGO/CTK Photo/Patrik Uhlir
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Stichwahl in Tschechien

Zeichen stehen auf Newcomer

Nach dem ersten Wahlgang vor zwei Wochen wählt Tschechien am Freitag zweitägig einen neuen Präsidenten. In der Stichwahl stehen sich der langjährige Ex-Premier Andrej Babiš und der Ex-Armeegeneral und Politquereinsteiger Petr Pavel gegenüber. Der Kampf um den höchsten Staatsposten und Oberbefehlshaber der Armee wurde zuletzt mit enormer Härte geführt. Ein zentrales Thema war der Ukraine-Krieg – mit einem großen Aufreger beim direkten TV-Duell.

In der ersten Runde standen die beiden mit etwa 35 Prozent Kopf an Kopf. Da keiner von ihnen die Hürde von 50 Prozent nahm, treten sie nun direkt gegeneinander an. Der unabhängige Pavel wird von der Mitte-Rechts-Regierung und fast allen unterlegenen Kandidatinnen und Kandidaten unterstützt. Er befürwortet weitere Hilfen für die Ukraine. Der populistische Ex-Regierungschef und Milliardär Babiš weiß den aus dem Amt scheidenden Präsidenten Miloš Zeman hinter sich.

Babiš sprach sich im Gegensatz zu Pavel gegen weitere Ukraine-Hilfen aus. Im Wahlkampf hatte er Pavel als eine Gefahr für den Frieden bezeichnet. Sich selbst stellte der 68-jährige Babiš als Kriegsgegner und Hüter des Friedens dar. Auf seinen Wahlkampfplakaten für die Stichwahl ist zu lesen: „Ich werde Tschechien nicht in einen Krieg drängen“ oder „Ich bin Diplomat, kein Soldat“. Pavel wies die Andeutungen entschieden zurück.

Warnung vor „Abkehr von prowestlichem Kurs“

Pavel wiederum stellt den 10,5 Millionen Menschen in Aussicht, als Staatschef für Sicherheit zu sorgen. „Ich kann die Tatsache nicht ignorieren, dass die Menschen hier zunehmend Chaos, Unordnung und Unsicherheit empfinden. Dass der Staat irgendwie aufgehört hat zu funktionieren“, heißt es auf Pavels Wahlkampfwebsite mit der Domain generalpavel.cz. „Wir müssen das ändern. Wir müssen uns an die Regeln halten, die für alle gleichermaßen gelten werden.“

Andrej Babis, Stichwahl, Tschechien
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Babiš im Wahlkampf – er inszeniert sich als Hüter des Friedens.

Generell stellt Pavel die Frage, ob die Wählerinnen und Wähler den „leeren Versprechen“ des Ex-Regierungschefs Babiš Glauben schenken oder sich eine Veränderung wünschen würden. Zudem ortet er bei einem Sieg seines Konkurrenten die Gefahr des Populismus und eine „Abkehr vom prowestlichen und europäischen Kurs“. Babiš amtierte von 2017 bis 2021 als Regierungschef. Die Parlamentswahl im Vorjahr verlor er knapp gegen das nun regierende Mitte-Rechts-Bündnis.

Eklat im TV-Duell

Für die Positionen aussagekräftig war das große TV-Duell der beiden im öffentlich-rechtlichen Sender ČT am vergangenen Sonntag: Babiš wollte sich der Diskussion mit Pavel eigentlich gar nicht stellen – wie bereits bei der „Elefantenrunde“ vor dem ersten Wahlgang wollte er auch vor der Stichwahl darauf verzichten. Das Team von Babiš änderte aber die Taktik unmittelbar vor dem Beginn der Sendung – Babiš erschien entgegen seiner ursprünglichen Linie doch.

Stichwahl, Andrej Babis, Petr Pavel, TV Duell
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Pavel (r.) und Babiš (l.) bei der äußerst konfrontativen TV-Debatte – die Mimik der beiden ist vielsagend.

Die Diskussion offenbarte tiefe Gräben bei fast allen Themen: Fragen zur Wirtschaft, das Verhältnis der beiden zu den politischen Parteien, die bereits im ersten Wahlgang stark diskutierte kommunistische Vergangenheit der beiden – zu jedem dieser Themen gab es zwei Stunden lang harte Wortgefechte und gegenseitige Vorwürfe. Doch ein Thema sorgte für einen gewaltigen Nachhall – als es nämlich um den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ging.

„Nein, sicher nicht“

Babiš warf dem Ex-NATO-General Pavel vor, Tschechien in den Ukraine-Krieg führen zu wollen, während er sich für den Frieden einsetze, wie der Ex-Premier betonte. Pavel wies die Behauptungen strikt zurück und warf seinem Rivalen die „permanente Verbreitung von Lügen“ vor. Doch dann folgte der Aufreger: Babiš wurde gefragt, ob er im Falle eines Angriffs auf Polen, Lettland, Litauen oder Estland im Rahmen der kollektiven Antwort der NATO Truppen schicken würde.

Babiš daraufhin: „Nein, sicher nicht. Ich will Frieden und nicht Krieg. Ich würde keinesfalls unsere Kinder, also die Kinder unserer Frauen, in den Krieg schicken.“ Eine Auflage für Pavel, der von 2015 bis 2018 an der Spitze des NATO-Militärausschusses stand. Er erinnerte Babiš an die Pflichten der Mitgliedsstaaten – und Tschechien ist ein solches. Verkürzt: Man habe neben Rechten auch Pflichten, eine solche sei auch die Beistandspflicht. „Das ist in Artikel 5 enthalten“, so Pavel.

Zurückrudern via Twitter

Doch bei Pavels Replik allein blieb es nicht – Babiš selbst versuchte gleich nach dem TV-Auftritt via Twitter einzufangen, was er losgetreten hatte: „Wenn es zu einem realen Angriff käme, würde ich selbstverständlich den Artikel 5 (des NATO-Vertrages, Anm.) einhalten“, schrieb Babis. Überhaupt hätte er auf die hypothetische Frage zu einer Attacke auf Polen oder das Baltikum am liebsten gar nicht geantwortet, wie er zudem schrieb.

„Champagnerkorken knallen im Kreml“

Ungeachtet dessen brandete im In- und Ausland rasch Kritik und Empörung ob der Aussagen von Babis auf. Der estnische Außenminister Urmas Reinsalu sagte, Babiš’ Worte seien „das schlimmste Beispiel“ dafür, wie aus innenpolitischen Erwägungen die Sicherheit aufs Spiel gesetzt werde. Auch aus Lettland und Litauen kam entsprechende Kritik, wenngleich rein „innenpolitische Erwägungen“ erkannt wurden.

Der polnische Oppositionelle Wladyslaw Kosiniak-Kamysz nannte die Äußerungen „absurd und gefährlich“. Sie ließen Zweifel an der Zusammenarbeit der NATO aufkommen. „Im Kreml können sie schon damit beginnen, die Champagnerkorken knallen zu lassen“. Tschechiens Vizeregierungschef Ivan Bartos bezeichnete Babiš als „direkte und konkrete Gefahr“ für das Land. Ministerpräsident Petr Fiala rief zur Mäßigung auf, um die Interessen des Landes nicht zu gefährden.

Wirbel um Fake-SMS

Wirbel gab es im Vorfeld der Stichwahl auch um gefakte SMS-Nachrichten. In sozialen Netzwerken tauchten Beiträge von Nutzerinnen und Nutzern auf, wonach sie eine Nachricht mit einem Einberufungsbefehl erhalten hätten, die den Anschein erwecke, als sei sie von Kandidat Pavel verschickt worden. „Bitte finden Sie sich beim nächstgelegenen Armeestützpunkt ein, wo Sie die notwendige Ausrüstung für die Mobilisierung für den Kampf in der Ukraine erhalten“, heißt es demnach in der Fake-SMS.

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Grafik: APA/ORF.at; Fotos: AFP; Quelle: POLITICO Poll of Polls

Stimmung wohl eher pro Pavel

Generell scheint die Stimmung in der Öffentlichkeit nicht zugunsten von Babiš zu sein. In den letzten beiden Umfragen vor dem Urnengang hatte Pavel einen Vorsprung im zweistelligen Bereich vor Babiš. Bei Ipsos kam Pavel am Montag (dem letzten Tag für veröffentlichte Umfragen) auf 58,8 Prozent, Babiš auf 41,2 Prozent. Bei Median erklärten 57,9 Prozent der Teilnehmenden, für Pavel stimmen zu wollen, 42,1 Prozent sprachen sich für Babiš aus.

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Eine Wahlkampfveranstaltung vor einer Woche in Brünn – Zehntausende kamen, um Pavel zu sehen.

In Tschechien führt der Präsident zwar nicht die Regierungsgeschäfte, doch ernennt er den Regierungschef, Richter, Notenbanker und hat ein Mitspracherecht in der Außenpolitik. Die Amtszeit des scheidenden Präsidenten Zeman, der sich unter anderem für eine Annäherung an China eingesetzt hatte, endet Anfang März. Der Sieger des harten Duells Babiš gegen Pavel übernimmt danach – feststehen wird er aller Voraussicht nach am Samstagabend.