„Mit Baťa im Dschungel“ Markéta Pilátová
zdeněk němec | mafra
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Roman über tschechische Schuhmacherdynastie

Mit Baťa im Dschungel | Markéta Pilátová

Die Schuhfirma Baťa ist vielen ein Begriff. Dass die tschechische Schuhmacherdynastie Pioniergeist mit sozialem Engagement verband und auch im brasilianischen Urwald Retortenstädte errichtete, damit kamen im Vorjahr Besucher/innen der Wiener Festwochen-Produktion „Diamante“ von Mariano Pensotti in Berührung. Nun gibt es einen Roman über diese außergewöhnliche Unternehmung: „Mit Baťa im Dschungel“.

„Mit Baťa im Dschungel“ Deutsch von Sophia Marzolff Wieser Verlag | 382 Seiten
21 Euro

„Mit Baťa im Dschungel“ Markéta Pilátová
wieser verlag

Die 1894 in Zlín von den Geschwistern Tomáš, Anna und Antonín Baťa gegründete Schuhfirma gibt es noch immer. Wie wechselvoll die Familien- und Unternehmensgeschichte in diesen fast 130 Jahren war, davon machte sich die 1973 im tschechischen Kroměříž geborene Hispanistin und Autorin Markéta Pilátová erst ein Bild, als sie vor zehn Jahren in Brasilien auf Dolores Baťa traf, die älteste Enkelin von Jan Antonín Baťa, dem Stiefbruder und Nachfolger des Firmengründers, der die Fabrik zu einem Weltkonzern aufbaute. In dem kleinen Städtchen Bataypora (auf Deutsch: „Baťa-Gutwasser“) sollte sie eigentlich Dolores und andere Familienmitglieder in Tschechisch unterrichten – und verbrachte schließlich die heißen Nachmittage der folgenden Monate damit, sich die abenteuerlichsten Geschichten erzählen zu lassen.

Daraus wurde ein Roman, der sich offenbar gerade dort, wo er am unglaublichsten und abenteuerlichsten klingt, streng an wahren historischen Gegebenheiten orientiert, und sich nur dort, wo er das Innenleben der verschiedenen Figuren transparent zu machen versucht, dichterische Freiheiten nimmt. Pilátová lässt nicht nur viele verschiedene Personen in kurzen Kapiteln auftreten und ihre Sicht der Dinge schildern, sie gibt auch der „Fabrik“ selbst eine Stimme. Das ist überaus farbig und abwechslungsreich, gelegentlich aber auch ein wenig verwirrend, weil nicht nur zwischen Tschechien, den USA und Brasilien, sondern auch zwischen den Zeiten hin- und hergesprungen wird. Und weil die Familie Baťa recht groß ist und ihre einzelnen Mitglieder sowie der Grad ihrer Verwandtschaft nicht ganz leicht zu merken sind. So sei es, wird gelegentlich beruhigt, aber bereits vielen gegangen, die mit den Protagonisten und ihren Erzeugnissen in Berührung kamen.

„Mit Baťa im Dschungel“ Markéta Pilátová, Dolores Bata
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Dolores Baťa

Der Kontrast könnte nicht stärker sein: Auf der einen Seite ein Pioniergeist, der sich nicht an überkommenen, alten Traditionen klammert, sondern die Freiheit sucht, gleichsam aus dem Nichts immer wieder Neues zu schaffen. Und auf der anderen Seite bitterste Erfahrungen mit Neidern, Tunichtguten und politischen Feinden aller Couleurs, von den Nationalsozialisten bis zu den Kommunisten. Und dann gibt es natürlich schon noch die Sehnsucht nach der alten Heimat – und der alten Sprache, ohne die Autorin Pilátová ja gar nicht so hautnah mit dieser Geschichte in Berührung gekommen wäre.

„Mit Baťa im Dschungel“ Markéta Pilátová
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Markéta Pilátová

Am Ende schildert sie auch Dolores’ Bemühungen um Rehabilitation der Familie, die als angebliche Nazi-Kollaborateure um Gut und Ansehen gebracht wurden. Fanden zuvor immer wieder Baťa-Gedichte aus dem Familienarchiv Eingang in den Roman, sind es gegen Schluss eher Gerichtsakten, aus denen zitiert wird. Das Buch endet in der Gegenwart, bei unverständlichen tschechischen Urteilen, bei Ministerpräsident Andrej Babiš – und im grausamen, schönen, „halb gezähmten Dschungel“.