Druckerei Berger
ORF
ORF
Politik

Pressestimmen zu slowakischen Parlamentswahlen

Nach dem Sieg der linken Smer-Partei des umstrittenen Ex-Ministerpräsidenten Robert Fico bei der Parlamentswahl in der Slowakei schreiben Zeitungen am Dienstag:

„Hospodarske noviny“ (Prag):

„Nicht nur liberale Politiker, sondern auch Soziologen haben nach der Wahl in der Slowakei vom Wochenende Grund zur Depression: Die Nachwahlbefragungen haben total versagt. Der Unterschied zwischen dem, was die Menschen beim Verlassen der Wahllokale den Meinungsforschern sagten, und dem tatsächlichen Wahlergebnis war immens. (…) Tatsächlich holte die populistische Smer-Partei von Robert Fico knapp 23 Prozent der Stimmen und siegte über die Liberalen. (…) Der Misserfolg der slowakischen ‚exit polls‘ offenbart eine tiefere Erkenntnis: In der dortigen Gesellschaft gibt es sehr viele Menschen, die ihre Überzeugungen nicht offenlegen wollen. Und es werden immer mehr. Sie sind dem ‚System‘ gegenüber misstrauisch. Ihre Geheimniskrämerei halten sie für Widerstand. Populistische und extremistische Politiker befördern dieses Gefühl noch nach Kräften.“

„de Volkskrant“ (Amsterdam):

"Mit Fico an der Seite von (Ungarns Ministerpräsident) Orban wird der antieuropäische Block im Herzen des Kontinents größer. Wenn zudem Polen in zwei Wochen erneut rechts wählt, kann Brüssel sich auf Schwierigkeiten gefasst machen.

Neben solchen Befürchtungen gibt es aber auch Grund zur Hoffnung. Die pro-europäische Partei Progressive Slowakei (PS) erhielt am Sonntag 18 Prozent der Stimmen und wurde damit auf Anhieb zur zweitstärksten Kraft des Landes. Ihre Wähler, die zumeist der jüngeren Generation angehören, blicken lieber in die Zukunft als in die Vergangenheit und sehen ihre Werte eher in den Möglichkeiten und Freiheiten der EU widergespiegelt als in der kommunistisch-autoritären Vergangenheit. Aber vorerst sind sie noch nicht an der Reihe. Kurzfristig ist zu hoffen, dass Fico, ganz patriotisch, erkennt, wie sehr sein Land von Europa und einer funktionierenden Demokratie profitiert."

„Le Monde“ (Paris):

" (…) Die Wahlergebnisse in der Slowakei (…) und die Abstimmung im US-Kongress am Vortag (…) sind eine Warnung davor, den von Russland gegen die Ukraine geführten Krieg für innenpolitische Zwecke zu instrumentalisieren. In Bratislava, bisher ein starker Verbündeter Kiews, verspricht der Umschwung deutlich zu werden. (…) Der vom zukünftigen Regierungschef Robert Fico gepflegte Nationalpopulismus (…) stuft ihn eindeutig als prorussisch ein. (…) Das Aufkommen dieser Strömung könnte das europäische Engagement an der Seite der Ukraine belasten. (…)

Wie in der Slowakei ist das Votum des US-Kongresses noch nicht das Spiegelbild einer Grundströmung. (…) Die Zustimmung zu einer längeren Unterstützung der Ukraine setzt eine unermüdliche Aufklärung voraus. Durch die Erinnerung an die notwendige Achtung der territorialen Integrität und der Grenzen, aber auch durch eine Warnung. Die Unterstützung Kiews soll auch verhindern, dass die brutalste Gewalt zur einzigen Spielregel zwischen den Nationen wird."

„Neue Zürcher Zeitung“:

„Fakt ist, dass keine Regierung in Europa derzeit wirkliche Rezepte zur Bekämpfung der multiplen Krisen der letzten Jahre hat. Dies ebnet den Weg für Scheinlösungen: Politiker wie Fico und (der ungarische Ministerpräsident) Orban reden den Menschen ein, es werde wieder alles wie früher, wenn der Westen nur mehr Rücksicht nehme auf Russland. Die aus Moskau drohende Gefahr lässt sich so kurzfristig verdrängen, aber der nationale Sonderweg eines Kleinstaats in gefährlicher Nachbarschaft führt in die Schutzlosigkeit. Als Weg des geringsten Widerstands könnte diese Taktik dennoch Schule machen. Das ist die ernüchternde Lehre der slowakischen Wahl. Gefährlich ist die Janusköpfigkeit dieser Politik allemal: Die prorussische Rhetorik wirkt wie Gift auf die westliche Einheitsfront, und sie macht Hilfe für die Ukraine immer schwieriger vertretbar, je länger sich der Konflikt hinzieht.“