Frankl | Zerrissene Familie, zerreißende Zeit | Ein Leben gegen das Vergessen III.

„Sie stürzten zu in die Wohnung, es waren viele, es war 7, oder 8 Uhr abends. Ich, meine Schwester und mein Ziehbruder Benni waren schon im Bett. Sie schrien uns an, dass wir uns schnell anziehen sollen“, erinnert sich der Zeitzeuge Thomas Frankl an seine Abführung zusammen mit seiner Familie aus ihrer Preßburger Wohnung 1944.

On demand | Rádio Dia:tón | 8.4.2019

In der aktuellen Sendung Dia:tón führt Thomas Frankl seine Erzählung über die Jahre des 2. Weltkriegs fort.

Thomas Frankl

ORF | yvonne erdost

Thomas Frankl

Das Volksgruppenmagazin widmet sich in der Sendereihe „Thomas Frankl | Ein Leben gegen das Vergessen“ den düstersten Zeiten der jüngsten Europäischen Geschichte und will denjenigen ein Tribut setzen, die sich bis heute für ein liebevolles Miteinander und gegen Hetze und Ausgrenzung einsetzen. Einer von ihnen ist der heutige Gast Thomas Frankl.

Der Wiener Slowake erinnert sich mit Tränen in den Augen an diesen düstersten Tag seines bisherigen Lebens, dem noch viele leidvolle Tage folgen sollten: „Am 28. September 1944 kamen slowakische Soldaten und ein deutscher Soldat, und viele zivile Polizisten. Ich erinnere mich sehr gut. Vor allem an das Geräusch. Denn wir hatten in unserem Haus Holzstufen. Die Soldaten hatten Stiefel und sie schrien und läuteten plötzlich an unserer Klingel. Sie stürzten zu in die Wohnung, es waren viele, es war 7, oder 8 Uhr abends. Ich, meine Schwester und mein Ziehbruder Benni waren schon im Bett. Sie schrien uns an, dass wir uns schnell anziehen sollen. Ich erinnere mich, ich hatte einen Mantel, den ich nicht mochte, dieses stachelige ‚Teddybär‘ Material. Mein Vater rauchte damals schon und nahm Zigaretten mit. Meine Mama und mein Halbbruder Beni waren im Bett in einem Zimmer und sie vertrieben uns deutsch und slowakisch mit Schäferhunden. Sie sagten zu uns, wir mussten uns nicht so ordentlich anziehen, sie wollten uns nur kurz mitnehmen, um unsere Dokumente zu kontrollieren. Wir sollten uns nicht zu dick anziehen. Meine Mama nahm also nur diese Tasche mit.“

Thomas Frankl

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Frankl mit dem Bild seines Vaters im Hintergrund

Das slowakische Wort „Jude“ kann der Sohn des überragenden Malers Adolf Frankl, Thomas bis heute nur schwer über die Lippen bringen. Auch das Verwenden seiner zweiten Muttersprache Slowakisch fiel ihm noch lange sehr schwer. „Die Menschen haben zugeschaut. Wir gingen am Schuhgeschäft Baťa vorbei, auf die Kozia Straße, wo das Gestapo Gebäude war. Dort angekommen, war nichts drinnen, keine Sitze, nur Parkett. Wir schliefen mit vielen anderen, auch kleinen weinenden Kindern am Boden. Dann mussten wir von dort, über die Pannenská Straße, vorbei am Primazialpalast zum Bahnhof gehen, zum Verladebahnhof. Auf den Mauern standen deutsche Soldaten mit Gewehren und Hunden. Wir mussten dort warten. Meinem Vater sagten sie, er sollte über die Rampe gehen, in den Wagon“, erinnert sich Frankl.

Thomas Frankl

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Traurige Erinnerung an die tragische Zeit des Zweiten Weltkriegs

Es folgte der Abend, der das Undenkbare zur traurigsten Wahrheit für die Familie werden ließ. Es war der 28. September 1944, als die harten Stiefelabsätze der Gestapo über die Holztreppen in seinem Haus das Übel ankündigten. Thomas und seine Familie würde von den SS Soldaten verhaftet und vorerst im Gestapo Gebäude in Bratislava in Haft genommen. Am nächsten Tag folgte ein gezwungener Fußmarsch zum Preßburger Verladebahnhof.

Thomas Frankl

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Das Sprechen über die Ereignisse seiner Kindheit ist für Frankl bis heute mit tiefen Schmerz verbunden

Auch die schönen Erinnerungen an seine Großeltern verschmelzen bis heute mit einem tiefen Schmerz. Sie wurden in den letzten Kriegsjahren aus dem Spital, in dem sie lagen, geholt und ins Konzentrationslager gebracht, wo nur der Tod auf sie wartete.

In der kommenden Volksgruppensendung Dia:tón spricht der Zeitzeuge Thomas Frankl über die tragische Zeit bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs 1945. Die zerrissene Familie Frankl überlebte das Grauen des Krieges unter widrigsten Umständen. Später, in Folge der Zweiten Enteignungswelle, diesmal durch den Realsozialismus in der damaligen Tschechoslowakei, trafen die Frankls eine schwere Entscheidung. Sie verließen ihre geliebte Stadt Preßburg und übersiedelten in die nächst gelegene Metropole: Wien.

Text in Slowakisch
Thomas Frankl | Roztrhnutá rodina | Životné dielo proti zabudnutiu III.

Thomas Frankl | Ein Lebenswerk gegen das Vergessen I.
Thomas Frankl | „Ich sehe alles vor mir“ | Ein Lebenswerk gegen das Vergessen II.