Schicksale hinter dem US-Einreiseverbot

Als Safa Karmans Vater im vergangenen Sommer starb, konnte ihre Mutter nicht aus den USA in den Jemen reisen, um Abschied zu nehmen. Die Lage in dem Bürgerkriegsland, das auch mit Unterstützung der Vereinigten Staaten bombardiert wird, ließ die Reise nicht zu

Seit US-Präsident Donald Trump am Freitag die Bürger des Jemen und sechs weiterer Länder von der Einreise ausgeschlossen hat, ist der jungen Muslimin nun auch der Weg in die Vereinigten Staaten versperrt - der Weg zu ihrer Mutter, der Weg in ihre Zukunft.

„Zum Studium an der Harvard Law School zugelassen“

„Ich bin die erste Bürgerin des Jemen, die zum Studium an der Harvard Law School zugelassen wurde“, erzählt die 29-Jährige, die auch schon als Journalistin für den arabischen Nachrichtenkanal Al-Jazeera arbeitete. „Ich werde wohl kein Visum ausgestellt bekommen, um an den Vorlesungen 2017 teilnehmen zu können. Wegen des Landes, das meinen Pass ausgestellt hat, und der Religion, in die ich hineingeboren wurde.“ Safas Schwester, die Frauenrechtlerin Tawakkul Karman, wurde 2011 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Doch Verdienste, Weltbilder und Familienbande zählen im Amerika des neuen US-Präsidenten erst einmal nicht viel, wenn man den falschen Pass hat. Für die kommenden Monate gilt ein Einreisestopp für Syrer, Iraner, Iraker, Sudanesen, Somalier, Libyer und Jemeniten - Bürger muslimischer Staaten, die in den Augen der neuen US-Administration das Terrorrisiko erhöhen. Ihre Schicksale sind nun ungewiss. Und sie offenbaren menschliches Leid hinter einer politischen Entscheidung.

„Wir haben mehr als 20 Jahre auf diesen Tag gewartet“

Schicksale wie das von Adan Douale Barre, der in einer Auffangstation der Internationalen Organisation für Migration in Kenias Hauptstadt Nairobi festsitzt. Der 24-Jährige Somalier verbrachte fast sein ganzes Leben in Dadaab, dem größten Flüchtlingslager der Welt im Nordosten Kenias. Bis er die Zusage bekam, in die USA reisen zu dürfen. „Alles lag bereit“, erzählt Barre. Auch die Papiere. „Dann wurde uns mitgeteilt, dass wir für 121 Tage warten müssen.“ Seine Reise über London und Zürich nach Kentucky wurde vorerst abgesagt. Gemeinsam mit seinem Vater und neun Geschwistern wartet er auf die ungewisse Zukunft. „Wir haben alles verkauft, das wir besaßen. Wir haben mehr als 20 Jahre auf diesen Tag gewartet“, sagt er.

Sorge um Wiedersehen mit Familienangehörigen

Währenddessen macht sich Asin aus Teheran Sorgen um ihren Bruder. Dieser lebt seit Jahren in Seattle, hat sich dort ein Leben aufgebaut und geheiratet. Regelmäßig habe sie ihn zusammen mit ihrer Schwester und Mutter besucht. „Jetzt können weder wir in die USA, noch mein Bruder nach Iran, da er Angst hat, trotz Green Card nicht mehr zurück in die USA reisen zu dürfen“, erzählt die Redakteurin. Ihre Mutter sei über 80 Jahre alt. Sollte das Verbot dauerhaft gültig werden, könne sie ihren Sohn und ihre Enkelin vielleicht nie wieder sehen.

Widerstand gegen Donald Trumps Politik

Es sind Geschichten wie diese, die den Widerstand gegen Donald Trumps Politik wachsen lassen. Nicht nur in den USA gehen die Menschen auf die Straße angesichts der Bilder von US-Flughäfen. Videos wie eines des ORF verbreiten sich viral. Zu sehen ist ein Amerikaner iranischer Herkunft am Flughafen in Los Angeles, der vergeblich auf seinen Bruder wartet. Vor der Kamera bricht der Mann in Tränen aus. „Ich weiß nicht, was ich tun soll“, schluchzt er. „Mein Bruder hat nirgendwo auf der Welt etwas falsch gemacht. Ich auch nicht.“

Verbot kontraproduktiv

Wie viele andere Menschen befürchtet auch die Jemenitin Safa Karman, dass die Maßnahmen der US-Regierung den Dschihadisten in die Hände spielen könnten. Sie seien ein Geschenk für die Extremisten. Das Verbot werde kontraproduktiv sein und die Zahl der Terroranschläge steigen lassen. Und damit auch den Einfluss der Jihadisten in ihrer Heimat. „Ich war noch niemals so verängstigt“, sagt Karman.

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