Am Mittwoch Urteil über Ratko Mladić

Das UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien (ICTY) wird am Mittwoch 27 Jahre nach Ende des Bosnien-Krieges sein Urteil über den damaligen Militärchef der bosnischen Serben, Ratko Mladić, verkünden.

Mladić wird für die blutigsten und grausamsten Episoden des dreijährigen Krieges von 1992 bis 1995 verantwortlich gemacht.

In elf Punkten hat sich der 74-Jährige wegen Völkermordes in der Muslimenklave Srebrenica in Ostbosnien und in sechs weiteren Gemeinden, ferner wegen Vertreibungen, Deportationen, unmenschlicher Behandlung, wegen des dreieinhalbjährigen Beschusses von Sarajevo und der Geiselnahme von UNO-Soldaten zu verantworten. Die Anklage enthielt Angaben über mehr als 70 Massaker in 20 Gemeinden, die Folterung und Misshandlung von Zivilisten in 58 Gefängnissen und Gefangenenlagern in 22 Ortschaften.

Die strategischen Ziele der bosnischen Serben waren es, so die Anklage, Serben in Bosnien für immer von Kroaten und Muslimen (Bosniaken) zu trennen bzw. sie von den Gebieten unter Kontrolle der Serben zu vertreiben. Kotor-Varoš, Ključ, Prijedor, Sanski Most, Vlasenica, Foča und allen voran Srebrenica waren Gemeinden, in denen unter dem Kommando von Mladić Völkermord begangen werden sollte.

Radovan Karadžić1995 BiH Bosna vojni zločini Ratko Mladić

tanjug/sta

Ratko Mladič (links) und Radovan Karadžić (rechts).

In Srebrenica geschah es auch so: Die ostbosnische Kleinstadt steht seit dem Kriegsende für das größte Kriegsverbrechen in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach der Einnahme der damaligen UNO-Schutzzone im Juli 1995 ermordeten bosnisch-serbische Truppen unter dem Kommando Mladićs rund 8.000 muslimische Männer und Buben in der Umgebung. Ihre Leichen wurden nach Kriegsende in mehr als 70 Massengräbern entdeckt. Nach 900 bis 1.000 Opfern der Massaker wird noch gesucht. Das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag stufte die blutigen Ereignisse 2004 als Völkermord ein. Einige Jahre später tat dies auch das höchste UNO-Gericht, der Internationale Gerichtshof (IGH).

Insgesamt wird die Zahl der Opfer des Bosnien-Krieges auf 100.000 Menschen geschätzt. Alleine beim Beschuss von Sarajevo durch Mladićs Truppen starben etwa 10.000 Menschen.

Nach 16 Jahren Flucht festgenommen

Mladić wurde erst nach 16 Jahren auf der Flucht am 26. Mai 2011 in dem serbischen Dorf Lazarevo in der Provinz Vojvodina festgenommen. Der Prozess vor dem UNO-Tribunal lief vom 16. Mai 2012 bis zum 15. Dezember 2016. Die Ankläger verlangten in ihrem Schlussplädoyer die Höchststrafe für den Angeklagten: lebenslange Haft. Seine Verteidiger plädierten auf Freispruch und versuchten in den vergangenen Monaten, die Urteilsverkündung mit Blick auf gesundheitliche Probleme Mladićs hinauszuzögern. Mladić selbst zeigte sich während des Prozesses zu den gegen seine Person erhobenen Vorwürfen unbeeindruckt. Das UNO-Tribunal sei ein „NATO-Gericht“ und schlicht voreingenommen, erklärte er.

Die Anklage gegen Mladić ist mit jener identisch, auf deren Basis bereits der frühere Präsident der bosnischen Serbenrepublik (Republika Srpska), Radovan Karadžić, im Vorjahr zu 40 Jahren Haft verurteilt wurde. Drei hochrangige bosnisch-serbische Ex-Offiziere - Vujadin Popović, Ljubiša Beara und Zdravko Tolimir - erhielten zuvor wegen des Völkermordes in Srebrenica lebenslange Haftstrafen. Mehrere andere Offiziere kamen vor dem Haager Tribunal mit mehrjährigen Haftstrafen davon. Zuletzt ist nun jener Mann an der Reihe, der als Hauptverantwortlicher gilt.

- Siehe Meldung vom 15.02.2017
- Siehe Meldung vom 01.07.2016
- Siehe Meldung vom 25.03.2016