„Slowenisch ist Österreich zumutbar“

Der Autor Florjan Lipuš ist am Montag in Wien mit dem Großen Österreichischen Staatspreis ausgezeichnet worden. In seiner Rede erklärte Lipuš, dass er die Würdigung als „Wiedergutmachung des Unrechts an den Kärntner Slowenen“ empfinde.

Lipuš Blüml Dunaj podelitev

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Auch slowenischer Minister wohnte der Feier bei

Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP) würdigte Lipuš´ „besondere Stellung als slowenischschreibender österreichischer Autor“. Er stellte fest, dass Lipuš „immer mehr als europäischer Autor wahrgenommen“ werde und passe daher besonders gut zur laufenden österreichischen EU-Ratspräsidentschaft, sagte der Minister und begrüßte u.a. seinen slowenischen Amtskollegen Dejan Prešiček.

Florjan Lipuš državna nagrada kulturna pisatelj odlikovanje Handke Winkler

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Unter den Gästen bei der vom Carinthia Saxophonquartett und Tenor Gabriel Lipuš musikalisch umrahmten Zeremonie im Bundeskanzleramt waren auch der Autor Peter Handke, Burgtheater-Direktorin Karin Bergmann, ÖNB-Generaldirektorin Johanna Rachinger, Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) sowie die beiden früheren Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) und Thomas Drozda (SPÖ).

Winkler erinnerte an geschichtliche Tatsachen

Kunstsenatspräsident Josef Winkler erinnerte in seiner Laudatio daran, dass Lipuš als Kind mitansehen musste, wie seine Mutter, nachdem sie eine als Partisanen verkleidete Gruppe von Gestapo-Männern bewirtet hatte, vor seinen Augen verhaftet wurde. Sie wurde im KZ Ravensbrück ermordet. Winkler nahm in seiner Rede wiederholt auf die Romane „Boštjans Flug“ und „Die Beseitigung meines Dorfes“ von Florjan Lipuš Bezug.

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„Slowenisch nur noch vereinzelt zu hören“

Florjan Lipuš begann seine Dankesrede auf Slowenisch und meinte, in Abwandlung des bekannten Zitates von Ingeborg Bachmann „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“: „Die Muttersprache ist dem Menschen zumutbar.“ Habe zur Zeit der Volksabstimmung von 1920 rund ein Drittel der Kärntner Bevölkerung Slowenisch gesprochen, sei diese Sprache heute nur noch vereinzelt in Dörfern zu hören. Die heutige Würdigung „empfinde ich auch als Wiedergutmachung des Unrechts an den Kärntner Slowenen“, sagte der Autor und erinnerte daran, dass sein Heimatort weiterhin keine zweisprachige Ortstafel habe. Vergangenes sei „mitten unter uns“. Doch nun sei bewiesen: „Wer in seiner Muttersprache denkt und träumt, kann weiterhin als brauchbarer österreichischer Staatsbürger angesehen werden.“ Die Zuerkennung des Staatspreises „macht sich gut im heutigen Europa und im Jahr, in dem Österreich den EU-Vorsitz innehat.“ Sie beweise: „Slowenisch ist Österreich zumutbar.“

Diese höchste Kultur-Auszeichnung der Republik ist mit 30.000 Euro dotiert.

Der 21-köpfige Österreichische Kunstsenat, der den Preisträger vorschlägt, hatte seine Wahl mit Lipuš’ Gesamtwerk, nicht zuletzt aber mit seinem bekanntestem Werk aus dem Jahr 1981 begründet: Im „Zögling Tjaž“, übersetzt von Peter Handke und Helga Mračnikar, sei bereits „sein gesamtes erzählerisches Opus thematisch angelegt, das er in zahlreichen Romanen und Erzählungen weiterentwickelt und entfaltet hat“. Lipuš behandle stets „den Widerstand gegen den Nationalsozialismus, die Vertreibung und Ermordung der Kärntner Slowenen, die Geringschätzung der slowenischen Minderheit durch die Mehrheitsbevölkerung, aber auch die Rettung der schwindenden Welt slowenischer Wörter und Wendungen als Grundlage einer neuen selbstbewussten Identität.“

Bereits zahlreiche Preise und Würdigungen

Florjan Lipuš wurde am 4. Mai 1937 in Lobnig/ Lobnik bei Eisenkappel/Železna Kapla geboren. Von 1960 bis 1998 war Lipuš als Volksschullehrer und -direktor tätig. Zugleich war er von 1960 bis 1980 Herausgeber der Kärntner-slowenischen Literaturzeitschrift „Mladje“. Er veröffentlichte zahlreiche Erzählungen, Romane und Essays. Lipuš wurde u.a. mit dem France-Prešeren-Preis, dem Petrarca-Preis, dem Österreichischen Würdigungspreis für Literatur und dem Franz-Nabl-Preis der Stadt Graz ausgezeichnet.

- Meldung in slowenischer Sprache
- Siehe Meldung vom 09.07.2018