„Die Wahrung des österreichischen Volksgruppenreichtums“ | Jurist Franjo Schruiff ruft zum Handeln auf

Die Gewährleistung für den Erhalt ihrer Sprachen, ihres kulturellen Lebens und ihres Bestehens bleibt ein banges Thema für diejenigen Volksgruppenangehörigen, denen die Tradition im modernen Alltag das Herzstück ihres Lebens darstellt. Einer von ihnen ist der Jurist Franjo Schruiff Gast des aktuellen slowakischen Volksgruppenmagazins.

On demand | Rádio Dia:tón | 12.11.2018

Während die Wiener Volksgruppen sich lange Zeit für ein eigenes Minderheitenschulgesetz in Wien stark machten, haben die Bundesländer, deren Volksgruppensprachen ein solches Gesetz schützen soll, mit dessen inhaltlichen Umsetzung zu kämpfen. Weder Wien, noch Kärnten, oder das Burgenland haben bislang eine stabile Wiege für ihre Sprach- und Kulturenvielfalt bauen können, wobei einige engagierte Köpfe das Werkzeug für eine solche Wiege schon längst fest in ihren Händen halten und es versuchen, sensibel in die bestehenden Gesellschafts- und Bildungsstrukturen einzuflechten. Dass dies kein einfaches Unterfangen ist, zeigt die gegenwärtige Situation im Burgenland, die darstellt, dass die Sprachkompetenz beispielsweise in Burgenlandkroatisch von Generation zu Generation drastisch abnimmt.

Im Burgenland soll das Minderheitenschulgesetz seit 1994 den Fortbestand der Sprache im Schulunterricht schützen. Nicht nur in den territorialen Siedlungsgebieten der Volksgruppen, sondern in allen burgenländischen Gemeinden ist der Unterricht in den Volksgruppensprachen bei einer angemessenen Anmeldungsanzahl möglich. Da jedoch das Gesetz auch beinhaltet, dass es für jede/n jederzeit in Frage kommt, sich vom zweisprachigen Unterricht abzumelden, müssen die Lehrkräfte hier einen Balanceakt bewältigen, der zwischen Motivation und Qualität des zweisprachigen Unterrichts schwebt.

Franjo Schruiff  zum Volksgruppengesetz

ORF | yvonne strujic-erdost

Für die einen, die Sprache ihrer Mutter, ihrer Kindheit, der Fortbestand ihrer intimen Familientraditionen; für die anderen ein kultureller Aspekt, auf den das junge Burgenland stolz zu sein scheint: Die Vielfalt seiner Volksgruppen. Zu dessen Erhalt beitragen wollen beide Gruppen. Doch dem einst so gefestigten Volksgruppenleben in den burgenländischen Dörfern stehen immer wieder große Hürden auf ihrem Weg des Fortbestandes vor. Erstmals in den Jahren des Zweiten Weltkriegs, begleitet von der Schreckensherrschaft unter nationalistischem Gedankengut. Heute bahnt sich die Urbanisierung große Wege in die dörfliche Gemeinschaft und bringt die Assimilierung an die Mehrheitsgesellschaft mit im Schlepptau.

Ortstafel Stinatz

ORF.at/Michael Baldauf

Fast liebevoll werden Reisende und Bewohner/innen der 47 burgenlandkroatischen Gemeinden von Ortstafeln in beiden Sprachen begrüßt. Schule, Kindergarten, Gemeindeamt, tragen still, doch leise aufschreiend heute ihre kroatischen Namen. Da allerdings, wo man noch vor ein paar Jahrzehnten ganz selbstverständlich nur burgenlandkroatisch sprach, ob öffentlich, im Amt, in der Schulbank, oder in der Kirche, verbleiben heute diese Schilder als Erben eines einst so lebendigen Volksgruppenlebens. Warnende Aufschriften, die den drohenden Verlust der früheren Identität der Orte, zumindest noch ein wenig hinauszögern wollen. Heute spricht kaum noch ein Jugendlicher fließend die Sprache seiner Eltern- oder Großelterngeneration, weiß der burgenlandkroatische Rechtsanwalt Franjo Schruiff.

„Verpflichtete Zweisprachigkeit für Bedienstete“

"Wenn man eine Sprache mehr kann, kann man beruflich mehr erreichen. Es bringt jedem einzelnen etwas und auch der Gemeinde. Wir haben heute die Situation, dass in den Volksschulen kleinere Klassen möglich sind, weil der zusätzliche Aufwand, der zweisprachige Unterricht, dadurch auch honoriert wird. Die öffentlichen Bediensteten, egal ob Lehrer oder Gemeindebedienstete, bekommen entsprechende Zulagen, wenn sie zweisprachig sind. Das heisst, für viele Menschen gibt es Chancen durch das Beherrschen einer Volksgruppensprache im Burgenland.

Man könnte es noch besser machen, indem man sagt, es sollte auch jede/r beiden Sprachen können. Denn sobald es ein Anstellungserfordernis ist, wie z.B. in Südtirol, dass man zweisprachig sein muss, um die Stelle zu bekommen, dann gibt es sofort einen Run, einen Boom, wo alle Eltern sagen: ’Bitte, mein Kind auch! Warum soll mein Kind schlechtere Chancen haben, als das Kind des Nachbarn? Es soll auch beide Sprachen sprechen", erklärt Franjo Schruiff.

„Sprache wieder aktiv zu unterrichten und benutzen“

Heute sei die aktive Sprache im Dorf nicht automatisch kroatisch, sondern die Menschen wissen, mit wem im Dorf sie kroatisch sprechen können. Aber prinzipiell, wenn man einen Menschen einmal auch deutsch sprechen höre, spreche die Mehrheit, vor allem auch mit den Kindern, eher deutsch. Früher sei es so gewesen, dass man automatisch auf den Straßen, auf den Plätzen kroatisch gesprochen, sich kroatisch begrüßt und unterhalten habe. Und wenn da eine/r nicht kroatisch gesprochen habe, habe man sich gewundert. Heute sei es so, bedauert Schruiff, dass sich die Menschen freuen, wenn man etwas verstehe. Heute müsse man sich darauf forcieren, die Sprache wieder aktiv zu unterrichten und zu benutzen.

Retro 2013: školstvo

ORF

Zweisprachigen Schulunterricht aus dem „Papier emporheben“

Es sei zu dem auch wichtig, den Kindern zu vermitteln, dass das Beherrschen jeder weiteren Sprache im Leben eine wertvolle Chance sei. Wenn man diese nicht nütze, sei es ein großer Verlust, so der burgenkroatische Rechtsanwalt Franjo Schruiff. Er gehört zu denjenigen, die sich im Beruf und mit ganzem Herzen für eine gerechte Umsetzung der bestehenden Gesetzeslage, die den Erhalt der österreichischen Minderheiten zu schützen vermag, einsetzen.

"Es gibt das Gesetz für zweisprachigen Unterricht, sodass zweisprachig unterrichtet werden sollte. Für mich ist das, was gelehrt wird, aber zu wenig. Denn dem Gesetz nach sollte mein Kind also nach vier Jahren zwei Sprachen sprechen können. Ob es notwendig ist, die Kinder mehr in kroatisch zu fördern, wenn sie die Sprache nicht beherrschen, oder mehr deutsch, wenn sie das nicht perfekt können, wäre dann abzuwägen. Aber am Ende der Volksschule sollten alle beide Sprachen gleichermaßen sprechen. Man sollte die Kinder in der Sprache fördern, in der sie es notwendig haben. So sollte man unterrichten.

Wenn der Lehrer weiß, dass wenn er nicht einhält, was im Gesetz steht, es sowieso keine Folgen hat, ist es natürlich einfacher nichts zu tun. Zum Glück haben wir genug Lehrer, die sehr engagiert sind, es gibt aber auch solche, die nur noch singen. Hier sollte sich die Schulverwaltung dafür verantwortlich fühlen, dass sie die Lehrer daran erinnert, nach dem Gesetz zu handeln. Und von den Eltern ist zu erwarten, dass sie das Kind mit dem Gedanken in die Schule bringen, dass das Kind hier die zweite Sprache lernen wird. Und wann wollen das die Eltern freiwillig tun? Wenn sie wissen, was es ihren Kindern etwas bringt und damit sind wir wieder am Beginn", mahnt der Jurist einmal mehr zur verpflichtenden Volksgruppensprachkompetenz von Gemeindebediensteten.

Franjo Schruiff zum Volksgruppengesetz

ORF | yvonne strujic-erdost

Eine Lösung nach dem Südtiroler Modell wäre laut Schruiff, die Einführung verpflichtender Zweisprachigkeit für Beamte. Somit wäre auch ein Anreiz für Eltern geschaffen, das Burgenlandkroatisch als Unterrichtssprache nicht nur zu akzeptieren, sondern auch wertzuschätzen. Denn das Beherrschen dieser Sprache würde somit die Jobchancen ihrer Kinder im Bundesland wesentlich erhöhen.

Das Minderheitenschulgesetz sei nicht so schlecht, meint Schruiff. Doch im Burgenland herrsche eine eigenartige Situation. Es gäbe z.B. kroatisch als Amtssprache, aber an den Ämtern sei es nicht notwendig kroatisch sprechen zu können, um dort arbeiten zu können. In Südtirol z.B. sei es klar, dass man italienisch und deutsch sprechen müsse, es sei eine Voraussetzung, um in einem öffentlichen Amt arbeiten zu können. Ob jemand beide Sprachen im Burgenland beherrsche, oder nicht, man bekäme so und so die Stelle am Amt beispielsweise. Deshalb hänge es nicht nur von der Schule ab, welchen Ruf und auch welche wirtschaftlichen Auswirkungen es im Land habe, ob man die Sprache könne, oder nicht. Es gehe darum, dass die Sprache im Alltagsleben eine Funktion behalte und auch eine wirtschaftliche Funktion erfülle, so Franjo Schruiff.

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Man merke, dass sich die Burgenlandkroaten assimilieren, dass man ihnen auch das Gefühl gibt, dass ihre Sprache nichts bedeute, nichts wert wäre. Die Substanz sei also schwach, dass man aktiv nichts für den Erhalt und das neuerliche Erlenen der Sprache wichtig wäre, tue. Schruiff weist darauf hin, dass die Freude wichtig sei, dass das Burgenland viersprachig ist. Die aktuellen Statistiken die zeigen, wieviele Volksgruppenangehörigen es gibt, wieviele Kinder die Sprache verstehen, wieviele sie aktiv sprechen. Sie erinnern daran, dass es von Generation zu Generation weniger werden. Ein völliges Ende des Volksgruppenlebens im Burgenland könne man aber eben durch das Heben des Stellenwertes der Sprache im öffentlichen Leben, sowie einer Forcierung auf qualitätvollen zweisprachigen Unterricht noch verhindern, meint der Rechtsanwalt.

Eine zweisprachige Schule sei, sagt Schruiff, wo sich die Kinder im Schulhof oder in der Freizeit treffen und auch zweisprachig kommunizieren können. Das wäre eine zweisprachige Schule. Das sei in der Praxis nicht so, deshalb ist seien die burgenländischen Schulen mit volksgruppensprachlichen Unterricht nur auf dem Papier zweisprachig. Am Ende der vierten Schulstufe sollte jedes Kind, das vier Jahre zweisprachig unterrichtet worden ist, beide Sprachen beherrschen. Faktisch sei es so, dass die Schule die Sprachkenntnisse des/der Schülers/in konserviert. Das bedeutet, das Kind verlasse die Schule nach vier Jahren mit denselben Sprachkenntnissen in burgenlandkroatisch, mit der er/sie in der ersten Klasse eingestiegen ist. Also die, die beim Schuleinstieg nicht kroatisch konnten, können am Ende auch ein kroatisch, außer singen und begrüßen. So sei es verwunderlich, wenn es eine zweisprachige Schule wäre, dass die Kinder am Ende nicht zwei Sprachen sprechen können, mahnt der Rechtsanwalt.

Franjo Schruiff zum Volksgruppengesetz

ORF | yvonne strujic-erdost

In einem viersprachiges Gebiet wie dem Burgenland müssten die Beamten also mehrsprachig sein, kroatisch, ungarisch, oder roman auch sprechen. Dann wäre es klar, dass jedes Elternteil wolle, dass sein Kind die Sprache spreche, könne und auch in Schrift beherrsche. Das sei logisch, meint Schruiff und erinnert daran, wieso die Eltern auch mit ihren Kindern zu Hause Mathematik, oder Sachunterricht lernen. Weil sie das Gefühl hätten, sie bräuchten es, und sobald man etwas brauche, weil man wisse, dass das Wissen um die Sache etwas bringe, sei es klar, dass man sie auch zu lernen beginne. So gehöre es auch mit dem Kroatischen, rundet Schruiff ab und ergänzt:

„Die Politik sind wir alle letztlich. Wie wollen wir, dass das Burgenland auschaut, wie wollen wir dass Österreich ausschaut? Wollen wir, dass diese Sprachen eine Zukunft haben, dann müssen wir uns zusammensetzen und einen Masterplan erstellen. Wir brauchen Lehrer, wir brauchen den verpflichtenden zweisprachigen Unterricht, wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, dass es für die Eltern auch spannend und lukrativ ist, da möglichst viel zu schauen, dass die Kinder möglichst viel lernen. Die Politik sind wir also alle und wir müssen uns jeder überlegen. ’Wo kann ich anfangen, wo kann ich etwas dazu beitragen?“

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Yvonne Strujić-Erdost | ORF Volksgruppenredaktion