„Massakriert sie alle!“ | Kollektive Gewalt gegenüber Roma

Pavel Baloun ist ein junger Wissenschaftler vom Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien. Baloun referierte unter dem Titel „Massakriert sie alle!" über kollektive Gewalt gegen Roma in der Tschechoslowakei während der Zwischenkriegszeit sowie der NS-Besatzung Böhmens und Mährens von 1918 bis 1942.

On demand | Roma sam | 27.11.2017

Pogrom Pobedim 1928

1928 hat eine Gruppe von 70 Einwohner/innen von Pobedim, einem Dorf 30 Kilometer nördlich von Piešťany in der heutigen Slowakei, die lokale Roma-Gemeinschaft angegriffen. Sie töteten sieben Roma, darunter auch kleine Kinder, verletzten mindestens 20 Angehörige der Volksgruppe und beschädigten ihre Häuser. Die Täter des Pogroms in Pobedim standen zwar vor dem Gericht, es wurden aber nur zwei Personen verurteilt, mit einer milden Bestrafung von drei Monaten Gefängnis.

Das geschah ein Jahr später nach dem neuen Gesetzt in der damaligen Tschechoslowakei "Gesetz über die wandernden Zigeuner“. Mit der Rechtfertigung, dass „Zigeuner für unsere Kultur und soziale Ordnung gefährlich sind“, wurden die tschechoslowakischen Roma fotografiert, registriert und biometrisch erfasst. Es kam auch vor, dass Kinder den Roma Familien entrissen und in Bildungseinrichtungen gegeben wurden. Diese Auflistung der Roma hat dazu geführt, dass ihnen der Status einiger potentieller „Gewohnheits-“ Verbrecher zugeschreiben wurde.

Schauplatz Gericht | Nachhaltige Stigmasierung

Pavel Baloun nannte die gerichtlichen Prozesse in Písek in Südböhmen und das Gericht in Košice in der Slowakei, die zu einer deutlich sichtbaren Stigmatisierung der Roma mit Nachhaltigkeit geführt haben.

Der erste Prozess fand in Písek statt und umfasste eine Gruppe von ehemaligen Deserteuren von der österreichisch-ungarischen Armee.

Der zweite Prozess in Košice war ein Fall von angeblichen Kannibalismus einer Gruppe von Roma-Männern aus Moldava und Bodva. Beide Gerichtsverhandlungen wurden von einer unglaublichen medialen Aufmerksamkeit begleitet. Es führte zur Eröffnung einer Debatte über Sondermaßnahmen für die Roma.

Über die Fälle der kollektiven Gewalt gegen Roma in der Tschechoslowakei und auch über die Parallele zur kollektiven Gewalt, beziehungsweise kollektiven Intoleranz in der Gegenwart in Tschechien sprach Tereza Chaloupková von der ORF Volksgruppenredaktion mit Pavel Baloun.