Ungarn: Proteste reißen nicht ab

Der Protest gegen das umstrittene Arbeitsgesetz in Ungarn reißt nicht ab: Mehrere tausend Demonstranten zogen am Freitagabend erneut durch die Straßen der Hauptstadt Budapest. Oppositionspolitiker riefen vor den Demonstranten zu einer Ausweitung der Proteste nach dem Jahreswechsel an, Gewerkschaften drohten mit einem Generalstreik.

Regierungschef Viktor Orban sprach von „hysterischem Geschrei“ und warf dem US-Milliardär George Soros vor, die regierungskritischen Kundgebungen zu finanzieren.

Proteste ausweiten, auch gegen Unternehmen

Rund 5.000 Demonstranten marschierten am Abend bei eisigen Temperaturen vom Parlament über die Donau zum Präsidentenpalast. „Wir werden die Demonstrationen ausweiten“, sagte der Chef der oppositionellen Sozialistischen Partei (MSZP), Bertalan Toth. Denkbar seien Proteste gegen Unternehmen mit Verbindungen zur rechtskonservativen Regierungspartei Fidesz sowie gegen große Konzerne, die von dem neuen Arbeitsgesetz profitieren.

Proteste nach der Weihnachtspause wieder aufzunehmen

Redner auf der Protestkundgebung riefen dazu auf, die regierungskritische Dynamik aufrecht zu erhalten und die Proteste nach der Weihnachtspause wieder aufzunehmen. „Eine neue Opposition ist geboren worden“, sagte der MSZP-Politiker Balazs Barany vor den Demonstranten. Die Proteste gegen Orban hätten die Opposition in beispielloser Weise geeint.

Generalstreik im Jänner?

Gewerkschaftsvertreter drohten mit einem Generalstreik im Jänner. „Das Land muss zum Stillstand gebracht werden“, rief Tamas Szucs von der Lehrergewerkschaft vor den Demonstranten. Balasz Lipusz von der Studentengewerkschaft sagte: „Wenn die Arbeiter die Fabriken lahmlegen und die Straßen blockieren, dann werden wir mit ihnen gehen.“

Die liberale Politikerin Anna Donath von der kleinen Partei Momentum verlas auf der Kundgebung eine Erklärung mit fünf Forderungen, die über die Rücknahme des umstrittenen Arbeitsgesetzes hinausgehen. Unter anderem forderte sie eine Rücknahme der Justizreformen und mehr Unabhängigkeit in den öffentlich-rechtlichen Medien.

Orban wies die Kritik zurück

Regierungschef Orban wies die Kritik an dem neuen Arbeitsgesetz am Freitag zurück und ritt scharfe Attacken gegen die Demonstranten. „Wir haben dasselbe hysterische Geschrei gehört, als wir den IWF (Internationaler Währungsfonds, Anm.) aus Ungarn rauswarfen, als wir die Steuern gesenkt oder das Programm für öffentliche Arbeiten eingeführt haben“, sagte er im staatlichen Rundfunk. „Diejenigen, die das Ende der Welt herbeischreien, sind diejenigen, die das Land ruinieren, und ihre Lügen sind grenzenlos.“

Orban wiederholte auch den Vorwurf, die „aggressivsten Demonstranten“ würden „von George Soros bezahlt“. Soros ist ein prominenter Kritiker Orbans. Der Milliardär unterstützt mit seinem Geld weltweit Bemühungen, liberale Werte wie Meinungsfreiheit, Transparenz und eine verantwortliche Regierung zu fördern. Die ungarische Regierung macht seit langem Stimmung gegen Soros. Orban tritt offen für ein „illiberales“ System ein.

Mehrere Städte wandten sich von Arbeitsgesetz ab

Mehrere ungarische Städte wandten sich am Freitag von Orbans Arbeitsgesetz ab. Die Stadtparlamente von Szeged und Salgotarjan verabschiedeten Resolutionen mit dem Versprechen, die Neuregelung nicht anzuwenden.

Das neue Gesetz ermöglicht es Arbeitgebern, von ihren Angestellten bis zu 400 Überstunden pro Jahr zu verlangen und Gehaltszahlungen bis zu drei Jahre hinauszuzögern. Die Novelle, die am Mittwoch vom Parlament verabschiedet und tags darauf von Präsident Janos Ader unterzeichnet worden war, löste die bisher größte Protestwelle seit Orbans Amtsantritt im Jahr 2010 aus.