Kunst als Hilfe von Erinnerung und Wahrnehmung
Das sind einerseits eine kürzlich auf Deutsch erschienene Graphic Novel „Mauthausen“ von Jordi Peidro und andererseits das Fotoprojekt „M 48° 15′ 24.13″ N, 14° 30′ 6.31″ E“ von Marko Zink, das noch bis 2. März in der Wiener Galerie Michaela Stock zu sehen ist.
Lebensgeschichte von Aura Boronat
Der Spanier Jordi Peidro hat die Lebensgeschichte von Francisco Aura Boronat nachgezeichnet, einem von über 7.000 republikanischen Spaniern, die ins KZ Mauthausen gebracht wurden. 4.200 von ihnen wurden ermordet. Der kleine Wiener Verlag bahoe books, der eine engagierte Comic-Schiene betreibt, hat das Buch nun von Manfred Gmeiner übersetzen lassen. Ausgehend von der Gegenwart des fast 100-jährigen Überlebenden, tauchen die nüchternen Zeichnungen tief in die Erinnerungen des alten Mannes ein.
Jordi Peidro: „Mauthausen“
Deutsch von Manfred Gmeiner, bahoe books, 200 Seiten, 19 Euro, ISBN 978-3-903022-88-1
Im Zentrum steht das KZ
Kampf gegen die faschistischen Franco-Truppen, zwei Verwundungen, Flucht nach Frankreich, Internierung, Arbeitseinsatz an der Maginot-Linie, Abgewiesen-Werden an der Schweizer Grenze, Verhaftung durch deutsche Truppen und Deportation nach Mauthausen. Das ist die Vorgeschichte, der ebenso Raum gegeben wird wie der Befreiung und dem Danach. Im Zentrum steht aber das KZ, das sich kaum überleben ließ, wenn man nicht - etwa als Kapo - in irgendeiner Weise Teil des mörderischen Systems wurde. Auf der untersten Stufe wurde das Gewaltregime fast ausschließlich von Kriminellen ausgeübt, die lustvoll und ungestraft ihren niederen Instinkten freien Lauf lassen konnten, schildert Aura.
Den Nachgeborenen zu berichten
„Ich habe nicht überlebt, weil ich tapferer gewesen bin, sondern weil ich mehr Glück hatte“, zitiert Tochter Lucia Aura in einem Nachwort ihren Vater. Francisco Aura Boronat hat der Graphic Novel nach anfänglichem Zögern noch selbst zugestimmt - als ungewöhnliche Möglichkeit, so seinem mit den anderen Mauthausen-Überlebenden geleisteten Schwur, den Nachgeborenen von den gesehenen und erlittenen Gräuel zu berichten, nachzukommen. Fast hätte der letzte überlebende spanische Häftling von Mauthausen noch seinen 100. Geburtstag erlebt. Nur einen Monat davor starb er im November des Vorjahres.
Pedro J. Colombo / Aintzane Landa / Salva Rubio: „Der Photograph von Mauthausen“, bahoe books, 176 Seiten, 24 Euro, ISBN 978-3-903290-00-6; erscheint im Juni
„Der Photograph von Mauthausen“
Einem spanischen Mithäftling ist im Juni eine weitere Graphic Novel von bahoe books gewidmet: Francisco Boix war „Der Photograph von Mauthausen“ und auf offizieller Seite für den Erkennungsdienst tätig. Illegal konnte er während seiner Lagerhaft zehntausende Fotos aus dem Lager schmuggeln. Viele seiner Aufnahmen dienten später zur Verurteilung der Täter.
„Marko Zink: M 48° 15′ 24.13′′ N, 14° 30′ 6.31′′ E“
Ausstellung in der Galerie Michaela Stock, Schleifmühlgasse 18, 1040 Wien; Ausstellung: bis 2. März 2019, Öffnungszeiten: Di & Mi 16.00-19.00 Uhr, Do & Fr: 11.00-19.00 Uhr, Sa 11.00-15.00 Uhr
Das Unzeigbare erahnbar machen
Nicht das Unbeschreibliche darzustellen, sondern das Unzeigbare erahnbar zu machen, hat sich der in Wien lebende Vorarlberger Künstler Marko Zink dagegen in seinem Mauthausen-Projekt zur Aufgabe gestellt: Mit seinen in Mauthausen gemachten Fotos will der 43-Jährige nicht dokumentieren, sondern irritieren. Dafür bearbeitet er seine Filme mit Chlor oder Tintentod, eher er sie belichtet. Er kocht oder stanzt sie und erzielt dabei verblüffende, verstörende Ergebnisse. Seine Aufnahmen der Lagerstraße, des ehemaligen Sportplatzes oder eines Baumes, unter dem tausende Leichen verscharrt wurden, versuchen die Auslöschung von Menschen und die Tilgung von Erinnerung gleichermaßen sichtbar zu machen.
Koordinaten des Konzentrationslagers
„M 48° 15′ 24.13′′ N, 14° 30′ 6.31′′ E“ nennt Zink seine Serie nach den Koordinaten des Konzentrationslagers. Eine Auswahl ist derzeit in der Wiener Galerie Michaela Stock zu sehen. Am 10. April eröffnet eine Ausstellung der kompletten Serie in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, wo man Kunst als wichtiges Mittel zeitgenössischer Auseinandersetzung erkannt hat. „Die Arbeiten von Marko Zink haben einen enormen Wert für uns, da seine Bilder die KZ-Gedenkstätte Mauthausen aus einem ganz neuen Blickwinkel zeigen“, sagt Barbara Glück, die Direktorin der KZ-Gedenkstätte Mauthausen: „Und das ist es auch, was wir mit unseren Vermittlungsprogrammen erreichen möchten. Die Besucherinnen und Besucher sollen über ihre individuellen Wahrnehmungen selbstständig Bezüge herstellen und ihren eigenen Zugang zu diesem Ort finden.“