AG-Funktionäre mit Judenwitzen & Behinderten-Spott

Mit Judenwitzen und Spott über Behinderte vertrieben sich Funktionäre der VP-nahen AktionsGemeinschaft am Juridicum der Uni Wien in einer geschlossenen Facebook-Gruppe offenbar die Zeit.

In seiner jüngsten Ausgabe veröffentlicht der „Falter“ Auszüge aus Chat-Protokollen. Unter den Mitgliedern der Gruppe sollen Mitglieder der Fakultätsvertretung als auch Kandidaten für die anstehende ÖH-Wahl sein. In einer Whatsapp-Gruppe sowie der geschlossenen Facebook-Gruppe „Fakultätsvertretung Jus Männerkollektiv“ tauschten sich die Studentenvertreter regelmäßig aus. So ist etwa unter dem Titel „Leaked Anne Frank Nudes“ ein Haufen Asche samt einer Rose zu sehen. An anderer Stelle wird ein Hitlerjugend-Mädchen mit Hakenkreuz-Fähnchen in einem Korb und Hasen am Arm samt dem Bildtext: „Ich wünsche Frohe Ostern den Männern und auch Pussys dieser illustren Gruppe“ abgebildet. In den Kommentaren ebenfalls lustig gefunden wird ein Bild eines badenden Burschen mit Down-Syndrom mit Dreizack im Arm und dem Titel „Poseidown“ sowie diverse Hitler-Bilder. Hauptinhalt sind freizügige Bilder von Studentinnen bzw. von feucht-fröhlichen Partys.

Empörung in AG

In der AG selbst ist man empört: „Es ist eine Frechheit, dass es innerhalb der AG Jus eine geheime Facebookgruppe gibt, die derart menschenverachtende Inhalte postet“, so Sprecher Valentin Petritsch. „Das ist mit den Werten der AG in keiner Weise vereinbar und wir fordern deshalb auch den sofortigen Austritt aller, die sich an solchen Inhalten beteiligt haben.“ In der Jungen ÖVP, wo Betroffene ebenfalls aktiv sind, distanzierte man sich ebenfalls, verwies aber sonst auf die AG.

ÖH fordert Konsequenzen

Die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) forderte Konsequenzen für die Studentenvertreter. „Dieses Verhalten ist unwürdig, widerlich und stellt eine grobe Verharmlosung des Nationalsozialismus dar“, so ÖH-Vorsitzende Lucia Grabetz (Verband Sozialistischer StudentInnen/VSStÖ) in einer Aussendung. „Dass so etwas gerade von jener Fraktion kommt, die sich selbst immer dezidiert als unpolitische Studierendenfraktion bezeichnet, bestätigt, dass die AG eben nicht jene harmlose Servicekraft ist, als die sie sich gerne darstellt.“ Die JUNOS Studierenden verlangen den Rücktritt der AG-Spitzenkandidatin bei der Wahl zur Bundesvertretung, Silvia Grohmann. Diese sei seit Jahren an der betroffenen Fakultät aktiv. „Als jahrelange Funktionärin der AG-Jus können ihr diese Vorgänge nicht entgangen sein“, so Spitzenkandidat Yannick Shetty.

Laut DÖW AG bisher nicht als antisemitisch aufgefallen

Bisher sei die AG laut Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) nicht als antisemitisch aufgefallen. Ob die Akteure hier vor allem extrem geschmacklose Sprüche am digitalen Stammtisch geklopft haben oder tatsächlich ihre antisemitische Gesinnung ausdrücken, sei aus der Ferne und auf Basis von dem wenigen Material nur schwer zu sagen, sagte DÖW-Rechtsextremismusexperte Bernhard Weidinger zur APA. Die nun bekannt gewordenen Chat-Protokolle von AG-Funktionären am Juridicum in Wien zeugten auf jeden Fall von einem „sehr unterentwickelten Sensorium, was Zeitgeschichte und die NS-Verbrechen sowie den Umgang damit betrifft“. Es stelle sich jedenfalls die Frage, ob solche Personen geeignet seien, Positionen im Rechtssystem zu übernehmen, das nicht zuletzt dem Schutz diskriminierter Gruppen diene.

Antisemitismus in AG kaum Rolle gespielt

Strukturell habe Antisemitismus in der Geschichte der AG im Gegensatz zum Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) bisher kaum eine Rolle gespielt. Die Anfang der 1980er-Jahre gegründete AG stehe durch ihre Wurzeln im früher vom Cartellverband (CV) dominierten Wahlblock bzw. der Österreichischen Studentenunion (ÖSU) noch immer dem katholischen Verbindungswesen nahe und dort, so Weidinger, „ist das Verhältnis zu Antisemitismus nach 1945 ein anderes als im völkischen Verbindungswesen (also den Burschenschaften, Anm.).“ Auch weil es Opfer des Nationalsozialismus in den eigenen Reihen gegeben habe, habe man hier die NS-Erfahrung anders verarbeitet. Die Distanzierungen der AktionsGemeinschaft bzw. des CV vom Nationalsozialismus seien jedenfalls konsequenter und unzweideutiger als jene von RFS und Burschenschaften.

Apolitische Ausrichtung der AG

Allerdings schränkt Weidinger ein: „Man sollte nicht vorschnell ausschließen, dass es in der AG Leute mit antisemitischer Einstellung geben kann.“ Gerade wegen der apolitischen Ausrichtung der AG - sie definiert die ÖH vor allem als Serviceeinrichtung und lehnt politische Äußerungen abseits der Hochschulpolitik ab - hätten in der Fraktion Menschen mit sehr unterschiedlichen Weltanschauungen Platz.

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