Wiens braunen Flecken auf der Spur

150 Jahre feiert die Wiener Ringstraße heuer. Neben zahlreichen Publikationen, die das architektonisch Schöne und das kunsthistorische Erbe des Prachtboulevards herausstreichen, hat sich auch ein Buchtitel mit eher dunklen Kapiteln eingeschlichen.

„Im Schatten der Ringstraße“ heißt der im „Czernin Verlag“ erschienene Band, der sich als „Reiseführer durch die braune Topographie Wiens“ versteht.

Eva Maria Bachinger / Gerald Lehner: Im Schatten der Ringstraße. Reiseführer durch die braune Topografie von Wien. Czernin Verlag, Wien 2015. 328 Seiten, 23,90 Euro. ISBN 978-3-7076-0432-0.

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Braune Flecken in der Bundeshauptstadt

Im Grunde wurde der runde Geburtstag des „Rings“ aber nur zum Anlass genommen, in der gesamten Bundeshauptstadt nach braunen Flecken zu suchen. Und derer gibt es den Autoren Eva-Maria Bachinger und Gerald Lehner zufolge genug. Sie erinnern etwa an die „braunen Gespenster des Theaters“, weil das weltweite erste Institut für Theaterwissenschaft von den Nationalsozialisten in Wien gegründet wurde, oder führen auf das Gelände des ehemaligen „Aspangbahnhofs“, einem Ausgangspunkt von Deportationen in Ghettos und Konzentrationslager.

Widerstand der tschechisch-slowakischen Minderheit

Das Buch erinnert an eher bekannte Themen, wie die Diskussion um die Wehrmachtsvergangenheit des damaligen ÖVP-Bundespräsidentschaftskandidaten Kurt Waldheim im Jahr 1986, aber auch an im kollektiven Geschichtsbewusstsein weniger präsenten Tatsachen, wie dem Umstand, dass verhältnismäßig viele Männer und Frauen der tschechisch-slowakischen Minderheit am Widerstand gegen die Nazis beteiligt waren. 69 von ihnen wurden deshalb ermordet.

Traditionell antisemitisches Wien

Vielleicht zeigt ja allein der Klappentext das Programm auf, dass sich der Leser erwarten darf: „Die prachtvolle, sozial tief gespaltene und traditionell antisemitische Universitäts-, Kaiser- und Arbeiterstadt Wien war der Ort, an dem Adolf Hitler seinen Hass auf große Teile der Menschheit nähren konnte. Ab Frühling 1938 entfesselten einheimische und deutsche Nazis eine elementare Massengewalt, an der sich große Teile der Wiener Bevölkerung beteiligten.“ Das Buch wird heute ab 18.30 Uhr im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) in Wien vorgestellt.

Buchpräsentation „Im Schatten der Ringstraße“ mit Autorengespräch, Dienstag, 2. Juni 2015, 18.30 Uhr, Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands, Altes Rathaus, Wipplingerstraße 6-8, 1010 Wien