Radio Dráťák | Film „Die weiße Krankheit“ | Das bevorstehende Jubiläum des Endes des Zweiten Weltkrieges

Die heutige Sendung des Magazins Radio Dráťák wird dem 8. Mai gewidmet. Dieser Tag wird in Europa als Ende des Zweiten Weltkrieges mit Kapitulation des Hitlerdeutschlands gefeiert. Während der Zeit, als es an der Spitze war, erloschen mehr als 60 Millionen Menschensleben. Der Zweite Weltkrieg ist weiterhin ein abschreckendes Beispiel der Verbrechen gegen Menschlichkeit.

On demand | Radio Dráťák | 6.5.2019

Die rassistische Naziideologie verursachte bis heute unbegreifliche Massenermordung, vor allem der jüdischen, slawischen und Roma-Bevölkerung.

Radio Dráťák Magazin

6.5.2019 | 21:10 | Radio Burgenland Livestream

In Wien erinnern wir uns an das Ende dieser Bestialität mit Erinnerung an die, über derer Schicksale jemand anderer entschied, durch den Antikriegsfilm „Die weiße Krankheit“. Zu den Historiker/innen Jana Starek und Michal Frankl in das Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien begab sich für das tschechische Radiomagazin Pavla Rašnerová.

Film Die weiße Krankheit Capek Hugo Haas

Národní filmový archiv

Dr. Galén | Hugo Haas im Film „Die weiße Krankheit“

Idealisierung der Ersten Republik | Michal Frankl

Der Film „Die weiße Krankheit“ aus dem Jahre 1937 entstand auf Motiven des gleichnamigen Dramas von Karel Čapek (1890 – 1938), der das Ausbrechen des nächsten Krieges vorhersah. Der kommende Faschismus widerspiegelt sich im Werk als eine mehr als mögliche Bedrohung in der Zeit der Ersten Republik, die heutzutage oft idealisiert wird. Diese Zeit haben viele im Gedächtnis mit dem Demokratiemodell und der Persönlichkeit Tomáš Garrigue Masaryk verbunden. Zwischen den Jahren 1920 und 1937 herrschte zwar ein relativ tolerantes Klima in der Tschechoslowakei, der Antisemitismus verschwand jedoch nicht für immer. Die Volksgruppen hatten keine Möglichkeit, dem politischen Prozess beizutreten.

Michal Frankl

Ústav pro studium totalitních režimů

Historiker Michal Frankl | VWI

„Die Erste Republik war auch ein nationaler Staat, der auf Nationalismus begründet wurde und die Dominanz des Staatsvolkes forderte, des konstruierten tschechoslowakischen Volkes und schon von dieser Definition her waren alle Volksgruppen in einer problematischen Lage, und das betraf auch Juden. Auch wenn sie als staatsbildende, treue Gruppe in der Zwischenkriegszeit verstanden werden. Es ist kein Zufall, dass die Erste Republik mit einer großen Welle von Antisemitismus begann und auch endete“, erzählt der Gast des Magazins Radio Dráťák, Historiker des Masaryk-Instituts und Archivs der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik Michal Frankl, der gerade auf wissenschaftlichem Aufenthalt im Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust Studien ist.

Erinnerungsabend im Tschechischen Zentrum Wien

Bei der Gelegenheit des Jubiläums des Endes des Zweiten Weltkriegs veranstaltet das Tschechische Zentrum Wien in Kooperation mit dem Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust Studien einen Erinnerungsabend, in dessen Rahmen gerade der Film Bílá nemoc | Die weiße Krankheit projiziert wird, über den heute im Radio Dráťák mit unseren Gästen gesprochen wird. Sie werden auch bei der Projektion dieses Antikriegsfilmes schon morgen, am Dienstag, den 7. Mai, in der Herrengasse 17, im 1. Bezirk anwesend sein. Man beginnt um 18.00 Uhr.

Rückkehr des tschechischen Antisemitismus | 1930er Jahre der Ersten Tschechoslowakischen Republik

„Der tschechische Antisemitismus kehrt jedoch zurück und ziemlich stark gerade am Ende der 1930er Jahre in der Zeit, die mit Čapeks Furcht und dem Film ‚Die weißen Krankheit‘ übereinstimmte und seinen Höhepunkt erreicht er in der Zweiten Republik nach dem Münchner Abkommen. Der tschechische Antisemitismus wuchs vor allem ab Mitte der 1930er Jahre unter dem Einfluss des Nazi-Deutschlands und auch der anderen Staaten in Mittel- und Mittelosteuropa an. Er wuchs auch damit an, wie Reaktionen auf jüdische Flüchtlinge schärfer wurden. Während die jüdischen Flüchtlinge im Jahre 1933 aus Deutschland ziemlich frei kommen konnten, ihr Problem war, wie man bleiben konnte, wie man eine Arbeitsgenehmigung bekommen konnte usw. Im Gegenteil dazu versperrte die Tschechoslowakei 1938, nach dem Anschluss Österreichs, genauso wie andere Länder ihre Grenzen für die jüdischen Flüchtlinge und das passiert noch vor dem Münchner Abkommen, noch während der ziemlich stabilen Ersten Republik und eigentlich nicht so weit weg von der Verfilmung ‚Die weißen Krankheit‘“, spricht der tschechische Historiker Michal Frankl, der sich vor allem mit Forschung des Holocausts und der Flüchtlingspolitik der Länder Mittel- und Osteuropa im Zwanzigsten Jahrhundert beschäftigt.

Film Die weiße Krankheit Capek

Národní filmový archiv

Marschall | Zdeněk Štěpánek und Sohn des Barons Krog | Ladislav Boháč in „Die weiße Krankheit“

„Die Hauptrolle im Film und auch in der Theatervorführung stellte Hugo Haas dar, der auch Regie führte. Hugo Haas, einer der ersten interessantesten Talente der Ersten Republik, der auch selbstverständlich später von der politischen Entwicklung betroffen war, gehörte zu den ersten, die Anfang 1939 aus dem (Prager National-) Theater entlassen wurden, aber glücklicherweise gelang es ihm, das Land zu verlassen. Sein Bruder Pavel Haas, bekannter Komponist, wurde wie tausende andere Menschen deportiert und im Konzentrationslager ermordert“, erzählt die Historikerin Jana Starek über unglückliche Ereignisse, die die Persönlichkeiten um den Film „Die weiße Krankheit“ erreichten.

Jana Starek | Čapeks Werk als Spiegel der Entwicklung in der Tschechoslowakei

Der zweite Gast des Magazins Dráťák ist die Historikerin Jana Starek aus dem Wiener Wiesenthal Institut, das gemeinsam mit dem Tschechischen Zentrum Wien morgen die Projizierung dieses Filmes veranstaltet: „Sich mit Karel Čapek zu beschäftigen, ist schon aus Sicht interessant, dass es in gewisser Weise um einen Spiegel der kulturellen, intellektuellen, aber vor allem auch der politischen Entwicklung der Tschechoslowakei in 1920er, 1930er Jahren geht. ‚Die weiße Krankheit‘ ist ein Drama, in dem der Arzt Galén Arzneimittel gegen eine tödliche Krankheit entdeckt, die sich durch kleine weiße Flecken zeigt. Der Arzt Galén kuriert vor allem Arme und lehnt ab, Reiche und Mächtige zu heilen. Vor allem nicht die, die für Kriegskonflikte verantwortlich sind. Die weiße Krankheit ist ein Manifest, in dem der Autor sehr stark unterstreicht, dass es richtig ist, nicht die, die sich versündigten oder vorhaben sich weiterhin zu versündigen, wenn sie Kriegskonflikte unterstützen, in Waffen investieren zu heilen. Čapek erklärt hier, warum es richtig ist, die zum Tode zu verurteilen, die schuldig sind.“

Jana Starek

orf | pavla rašnerová

Historikerin Jana Starek | VWI

Eine der Hauptgestalten des Filmes „Die weiße Krankheit“ ist Marschall, den der Schauspieler Zdeněk Štěpánek darstellt. Der Usurpator will den Krieg eröffnen und sogar auffällig ähnelt er sich dem realen faschistischen Diktatoren. Das Werk zeigt, was alles als Folge der Sehnsucht nach Kriegseröffnung und Sehnsucht des Einzelwesens nach absoluter Macht passieren kann.

Der Schriftsteller Karel Čapek begann sein Spiel „Bílá nemoc/ Die weiße Krankheit“ schon in Jahren 1935-36 zu schreiben. Es löste große Begeisterung beim Publikum und starke Reaktion bei Literaturkritikern auch hinter der tschechoslowakischen Grenze aus. Jedoch nicht alle waren mit seinen politischen Ansichten einverstanden.

„Selbstverständlich für das Engagement für Politik des ersten Präsidenten der Tschechoslowakischen Republik T. G. Masaryk und auch sein enges Band mit Edvard Beneš wurde er von den sich zum Faschismus neigenden politischen Kräfte stark kritisiert. Viele vergaßen nicht seine Initiativen, z. B. die Freitagsrunde, teilweise in seiner und Bruder Josefs Villa, die auch T. G. Masaryk besuchte, aber auch seine enge Beziehung zu Edvard Beneš, dem späteren Präsidenten“, beschreibt die Historikerin Starek Karel Čapeks Persönlichkeit außerhalb der literarischen Welt.

Karel Čapek T. G. Masaryk

ČTK

T. G. Masaryk mit Karel Čapek

Der revolutionäre und unsterbliche Karel Čapek

Der vorzeitige Tod von Karel Čapek, am 25. Dezember 1938 an Lungenödem, kam ein paar Monate vor der Okkupation von Böhmen und Mähren durch das Nazi-Deutschland. In dieser Zeit plante die Gestapo schon seine Verhaftung. Čapeks Begräbnis wurde zu einer der ersten größeren Demonstrationen überhaupt gegen das sich entwickelnde undemokratische Regime.

Die weiße Krankheit Capek

Vydavatelství Fr. Borový

Karel Čapeks Werke sind sowohl revolutionär, als auch unsterblich und das auch bis heute, in der Zeit, in der wir die Vergangenheit nicht vergessen sollten.

Článek v češtině | Rádio Dráťák | Film „Bílá nemoc“ | Blížící se výročí konce druhé světové války

Die Interviews mit Michal Frankl und Jana Starek wurden für Sie von Pavla Rašnerová vorbereitet. Sie können sie in der heutigen Sendung des Magazins Radio Dráťák am 6. Mai ab 21.10 Uhr auf Radio Burgenland anhören. Moderiert wird die Sendung von Tereza Chaloupková.

Links

Bílá nemoc/ Die Weiße Krankheit | Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien Visual

Film | Die Weiße Krankheit | Tschechisches Zentrum Wien