POLITIK

Slowenien feierte Unabhängigkeit gespalten

Slowenien hat den 29. Jahrestag seiner Unabhängigkeit tief gespalten begangen. Während die Staatsspitze am Vorabend des Nationalfeiertags abgeschottet hinter Zäunen auf dem Kongressplatz in Ljubljana feierte, nahmen tausende Bürger an einer alternativen Feier und einem Protestzug durch die Straßen der Hauptstadt teil.

Am „Tag der Staatlichkeit“ feiert Slowenien seine Unabhängigkeit von Jugoslawien. Am 25. Juni 1991 erklärte das Parlament in Ljubljana die damalige Teilrepublik für selbstständig. Bedingt durch die Corona-Maßnahmen, wonach öffentliche Versammlungen mit höchstens 500 Personen erlaubt sind, fand die diesjährige offizielle Feier am Vorabend des Jahrestags in abgespeckter Form statt.

Die Innenstadt wurde am Mittwoch großräumig abgesperrt, schon Stunden vor dem Event wurden alle Zugänge zum zentralen Platz und dem Parlament abgesperrt. Der Veranstaltungsort selbst wurde mit Zäunen abgeriegelt, das Polizeiaufgebot war groß. Bewohner von Ljubljana, die erhebliche Umwege machen müssten, waren sichtlich überrascht und empört.

Gegenveranstaltung von Protestgruppen

Die Gegenveranstaltung fand auf dem nahegelegenen Prešern-Platz statt. Aufgerufen dazu hatten Kulturschaffende, die seit Wochen wegen der ihrer Meinung von der Regierung ignorierten Probleme des Kulturbetriebs in der Coronakrise protestieren. Der Veranstaltung schlossen sich auch andere Protestgruppen an, die wöchentlich gegen die Regierung des konservativen Regierungschefs Janez Janša auf die Straßen gehen. Medien bezifferten die Teilnehmerzahl insgesamt auf 5.000 bis 6.000, die Polizei sprach von 3.000 Teilnehmern.

Premier Janša, der als langjähriger Oppositionsführer in der Vergangenheit selbst eine Parallelfeier am Nationalfeiertag organisiert hatte, bezeichnete die Aufrufe zur Gegenveranstaltung als „unwürdig und verwerflich“. Er warnte davor, dass die „Antifeier“ die offizielle Feier stören könnte. Die parallele Veranstaltung endete am Mittwochabend allerdings, bevor die staatliche Feier begonnen hatte.

Auch Oppositionspolitiker, welche die offizielle Feier mehrheitlich boykottierten, erschienen bei der alternativen Veranstaltung. Oppositionsführer Marjan Šarec bezeichnete sie als „Volksfeier“. Auch die oppositionelle Linke blieb dem Staatsakt aus Protest gegen die Regierung fern.

Janšas Mitte-Rechts-Regierung stößt bei einem Teil der Bevölkerung auf Widerstand, seitdem sie vor etwas mehr als 100 Tagen ihr Amt angetreten hat. Die Proteste gegen die Regierung des zweifachen Ex-Regierungschefs, der sich durch einen autoritären Regierungsstil profilierte, verlagerten sich während des Corona-Lockdowns auf private Balkone. Später fanden sie wieder auf der Straße in Form von Fahrraddemos statt.

Janšas Anhänger für Dank-Petition

Janšas Anhänger starteten unterdessen eine Petition, um der Regierung Dank und Unterstützung auszudrücken. Bisher wurden laut den Initiatoren mehr als 100.000 Unterschriften gesammelt. Sobald es möglich ist, wollen die Janša-Anhänger außerdem Pro-Regierungs-Versammlungen organisieren, wie sie ankündigten.

Der Amtsantritt des Mitte-Rechts-Kabinetts fiel mitten in die Coronakrise. Nach strengen Beschränkungsmaßnahmen wurde Ende Mai die Epidemie für beendet erklärt, die Regierung rühmt sich damit, dies als erstes EU-Land geschafft zu haben. Aus Sicht der Opposition fällt die Bilanz anders aus: Die erfolgreiche Bekämpfung des Coronavirus wurde überschattet von intransparenten millionenschweren Ankäufen von Corona-Schutzausrüstung, dem Personalwechsel an der Spitze der Sicherheitsstrukturen, der Einschränkung der Zivilgesellschaft und dem Ausschluss von Umweltschutzorganisationen aus umweltrelevanten Verfahren.

Ähnlich wie in seinen früheren Regierungszeiten trägt der Regierungschef selbst zur gespaltenen Stimmung im Land bei: auf Twitter, seinem bevorzugten Kommunikationskanal, legt er sich mit Journalisten und Demonstranten an. Den Protestierenden warf er „linken Faschismus“ und Zugehörigkeit zur Antifa vor.

Zunehmend repressives Verhalten der Polizei

Gesteigert wird die Kritik der Regierungsgegner durch das zunehmend repressive Verhalten der Polizei bei den Protesten, weshalb Mahnungen über die Gefährdung von Bürgerrechten immer lauter werden. Am vergangenen Freitag entfernten Polizisten mehrere Demonstranten vom abgeriegelten Republikplatz vor dem Parlament, nachdem diese sich auf dem leeren Platz hingesetzt und aus der slowenischen Verfassung vorgelesen hatten. Sie seien entfernt worden, weil sie sich im geschützten Bereich befanden, lautete die Erklärung.

Gegen mehrere Demonstranten leitete die Polizei außerdem Ermittlungen wegen des Verdachts der Bedrohung des Regierungschefs ein. Die Tat sollen sie Medienberichten zufolge mit Transparenten begangen haben. Der Premier deutet die Aufschriften „Tod dem Janschismus, Freiheit für alle“ als eine direkte Bedrohung gegen sein Leben, die Demonstranten betonen dagegen, dass sich die Parole gegen seine Ideologie richte. Der Wörterbuch der slowenischen Sprache bezeichnet den Begriff „Janschismus“ (auf Slowenisch: Janšizem) als „politische Orientierung, die vom slowenischen Politiker Janez Janša entwickelt und vertreten wird“.

Ziel der Kritik der Demonstranten wurde mittlerweile auch Präsident Borut Pahor, der dafür bekannt ist, bei wichtigen Fragen eine neutrale oder gar keine Position einzunehmen. Daher stoppte der Protestumzug am Mittwochabend vor dem Präsidentenpalast, die Demonstranten zeigten Plakate mit der Aufschrift: „Gesucht wird der Präsident“. Darunter stand, dass man ihn seinen „Besitzern“, Janšas SDS-Partei, „zurückbringen“ soll oder „als Zierde zu Hause oder im Garten“ behalten könne.

Pahor rief in seiner im Fernsehen übertragenen Rede zum Nationalfeiertag zu Dialog und Kooperation auf und appellierte daran, Kompromisse und Gemeinsamkeiten zu suchen. Die Demonstranten kündigten unterdessen für Freitag die Fortsetzung ihrer Proteste an.