Avstrijska delegacija s kanclerjem Karlom Rennerjem na čelu ob podpisu pogodbe v Saint-Germainu.
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Chronik

100 Jahre Vertrag von Saint-Germain

Am 10. September 1919 wurde im „Steinzeitsaal“ des Schlosses Saint-Germain-en-Laye nahe von Paris der Friedensvertrag zwischen Österreich und den Alliierten und Assoziierten Mächten unterschrieben. Er beinhaltete das Anschlussverbot und Gebietsverluste sowie etliche andere Bestimmungen.

Gebietsverluste und Anschlussverbot

Dazu gehörte insbesondere die Festlegung der Grenzen der jungen Republik, die mit ganz geringen Abweichungen noch heute gültig sind. Österreich musste auf eine Reihe von Gebieten mit rein oder vorwiegend deutschsprachiger Bevölkerung verzichten, wie vor allem auf Südtirol und die sudetendeutschen Gebiete, konnte aber – auf Kosten Ungarns – das Burgenland gewinnen.

Als besonders schmerzhaft wurde von vielen Österreicherinnen und Österreichern der Artikel 88 empfunden, der einen „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich verbot (eine gleichartige Bestimmung enthielt auch der mit Deutschland abgeschlossene Vertrag von Versailles). Gerade angesichts der großen Gebietsverluste wurde die kleine Alpenrepublik von vielen als nicht überlebensfähig erachtet. Ihr „Wasserkopf“ Wien, in dem mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung lebte, war auf die Beherrschung eines Großreichs ausgerichtet gewesen; mit den neuen Grenzen zerbrachen jahrhundertealte Wirtschaftsräume.

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Schutz von Minderheiten

Ein Abschnitt des Vertrags von Saint-Germain steht bis heute in Österreich in Verfassungsrang, und zwar jener, der sprachlichen und religiösen Minderheiten gewisse Mindestrechte zusichert. Die Schaffung eines internationalen Minderheitenschutzes war ein zentrales Anliegen des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson auf der Pariser Friedenskonferenz gewesen; entsprechende Bestimmungen finden sich – praktisch gleichlautend – außer im Vertrag mit Österreich auch in speziellen Verträgen, die auf der Konferenz mit Polen, Jugoslawien und der Tschechoslowakei abgeschlossen wurden.

Sie enthielten religionsbezogene Schutzrechte, Gleichheitsgarantien, Diskriminierungsverbote sowie Staatsbürgerschaftsrechte und sollten sowohl unter nationalem wie unter internationalem Schutz stehen. Insbesondere das Recht auf freie und öffentliche Religionsausübung war bis dahin nur den gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaften vorbehalten gewesen und wurde nun auf alle Einwohner Österreichs ausgedehnt.