Šarec verspricht Taten statt Worte

Der slowenische Premier Šarec will innenpolitisch aufmischen, sein Land aber innerhalb der EU im Mainstream halten. Seine Regierung werde sich dafür einsetzen, „dass Slowenien in der Gruppe der sogenannten Kernstaaten bleibt“, betonte Šarec am Freitag in seiner Vorstellungsrede im Parlament.

Auch wolle er „sofort" mit den Vorbereitungen für den EU-Ratsvorsitz 2021 beginnen. Die Europäische Union befindet sich an der Weggabelung“, betonte Šarec. „Den Euroskeptikern ist es gelungen, den Brexit zu erreichen. (...) Es müssen innerhalb kürzester Zeit Lösungen gefunden werden, sonst sieht es für die EU nicht besonders gut aus“, erwähnte er etwa den Streit über das künftige EU-Budget.

Bekenntnis zu Grenzsicherung und NATO

Šarec bekannte sich in seiner Rede klar zur NATO-Mitgliedschaft und signalisierte Kontinuität in der Flüchtlingspolitik. „Die Sicherung unserer südlichen Grenze, die auch die Schengen-Außengrenze ist, bleibt eine Priorität, schließlich nimmt die Zahl der illegalen Grenzübertritte wieder zu“, sagte er. „Slowenien hat seine Aufgabe bisher erfolgreich erfüllt und wird das auch in Zukunft tun.“

Der bisherige Lokalpolitiker, der im Wahlkampf massive Kritik am jahrelangen Reformstau im Land geübt hatte, kündigte eine tatkräftige Regierung an. „Zählen werden Taten, nicht Worte, von denen jeden Tag tausende gesagt werden“, sagte er. „Die Menschen in Slowenien interessiert es nicht im Geringsten, worüber wir hinter verschlossenen Türen verhandeln und welche Verfahrensfragen es gibt“, betonte er. Mit Blick auf die schwierige politische Ausgangsposition - Šarec’ Namensliste LMŠ hat nur 13 der 90 Mandate im Parlament - präsentierte sich der Premier-Kandidat als jemand, der Verantwortung übernimmt. „Auch im normalen Leben ist es so, dass man sich vor Problemen erschrecken kann oder sie als Herausforderung sehen kann.“

Reform des Gesundheitssystems als Priorität

Als oberste innenpolitische Priorität nannte Šarec die Sanierung des Gesundheitssystems, dessen maroder Zustand die slowenische Politik schon seit zwei Jahrzehnten beschäftigt. Dabei werde er ausschließlich die Interessen der Patienten im Auge haben. „Für sie sind wir da, sie haben uns gewählt“, versprach er eine Verkürzung der langen Wartezeiten. Allgemein wandte sich Šarec dagegen, öffentliche Dienstleistungen und Privatwirtschaft gegeneinander auszuspielen. „Der öffentliche und private Sektor sind keine Feinde, sie müssen Hand in Hand arbeiten, auch wenn das so manchem unvorstellbar scheint“, erlaubte er sich einen Seitenhieb auf die Linke. Zugleich sprach er sich für eine Pensionsreform aus und forderte mehr Investitionen in die Straßen- und Schienen-Infrastruktur, damit Slowenien die Vorteile seiner „geostrategischen Lage“ in Mitteleuropa nicht verspiele. Als stark exportorientiertes Land müsse es sich schon jetzt auf eine Abkühlung der globalen Wirtschaft vorbereiten, mahnte er. Zugleich kritisierte er die Abwanderung vieler Slowenen ins Ausland: „Unser ausgezeichnetes Bildungssystem produziert kostenlos Fachkräfte für andere Staaten.“

Šarec ist das Kunststück gelungen, als abgeschlagener Zweiter der Parlamentswahl vom 3. Juni den konservativen Wahlsieger Janez Janša auszustechen. Dessen Demokratische Partei (SDS) war von den anderen Parteien insbesondere wegen ihres Liebäugelns mit der Politik des umstrittenen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban boykottiert worden. Nur so konnte Šarec eine Fünf-Parteien-Koalition aus linken und liberalen Parteien zimmern.

In seiner 20-minütigen Rede versuchte Marjan Šarec Zweifel an der Stabilität seiner Regierung zu zerstreuen und ging hart mit denjenigen ins Gericht, die ihn schon vor dem Amtsantritt abschreiben. „Ich bin mir meiner Schwächen und Fehler bewusst. Ich habe aber Mut und Beharrlichkeit, und ich habe mir meine Universitätsausbildung nicht gekauft“, spielte er auf entsprechende Affären in den Reihen der rechtspopulistischen SDS an. Dem diplomierten Schauspieler war zuvor seine mäßige Mittelschulkarriere vorgehalten worden, als er in einer Holzfachschule sechs Mal Nachprüfungen absolvieren musste. „Ich kann mich auch in fremden Sprachen verständigen, da braucht man sich keine Sorgen machen“, sagte er zu einem weiteren Vorwurf. „Vor allem habe ich aber mein Land gern“, richtete der frühere Politiker-Imitator seinen Kritikern aus.

Oppositions-Chef Janša twitterte lieber

SDS-Abgeordnete verzichteten in der Debatte weitgehend auf ihr Rederecht, weswegen sie kürzer dauerte als erwartet. Als einziger Mandatar der größten Parlamentspartei sagte Danijel Krivec, dass das Kabinett Šarec die politische Apathie im Land vergrößern werde, weil bei der Regierungsbildung der Wahlsieger umgangen worden sei. Der verhinderte Ministerpräsident Janša nahm an der Sitzung teil, beschäftigte sich aber lieber mit seinem Twitter-Account, über den er etwa einen Geldschein aus der Zeit der Hyperinflation im kommunistischen Jugoslawien teilte, auf den die Fotos der fünf Koalitionsparteichefs montiert waren. „Immer mehr Entwürfe für Geldscheine der künftigen Regierungsperiode, wenn der Wohlstand wie in Venezuela blühen wird“, schrieb Janša mit Blick auf die umstrittenen sozial- und wirtschaftspolitischen Vorstellungen der Linken, die das Kabinett Šarec stützen wird.

NSi-Abgeordnete monierten in den Reden, dass Šarec auf die bisherigen Regierungsparteien SMC, SD und DeSUS angewiesen sei, die sich in der vergangenen Legislaturperiode heillos zerstritten hatten. „Sie haben sich auf den Sitz eines alten Autos gesetzt, und haben noch mehr Passagiere bekommen sowie eine zusätzliche Bremse in Form der Linken“, sagte NSi-Abgeorndeter Jernej Vrtovec in Richtung Šarec.

Der Chef der Slowenischen Nationalpartei (SNS), Zmago Jelinčič, äußerte sich positiv zur Rede von Šarec, gab seiner Koalition aber nur geringe Überlebenschancen. „In ein, zwei Jahren sehen wir uns bei Wahlen wieder“, sagte er.

Siehe Meldung: Mit Selbstbewusstsein gegen Kritiker