„Gedankenaustausch“ zu Doppelpass

Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) hat sich am Freitag zufrieden mit einem Treffen gezeigt, das zwischen Abgeordneten der Regierungsparteien und Südtiroler Landtagsabgeordneten zum Thema doppelte Staatsbürgerschaft in Wien stattgefunden hat.

Alessandro Urzi, Abgeordneter im Südtiroler Landtag, hatte zuvor scharfe Kritik an den Maßnahmen geübt, welche „die starke Südtiroler Autonomie gefährden würden“.

Das Gespräch sei erfolgreich gewesen, so Kneissl nach dem Treffen im Außenministerium. „Es ging heute ums Zuhören, es ging um den Gedankenaustausch. Es sind so viele unterschiedliche Positionen da. Die Gesprächsebene soll möglichst offen verlaufen, damit jeder seine Positionen einbringen kann“, sagte Kneissl auf die Frage zur möglichen Spaltung der Gesellschaft durch die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft. Sie bezweifelt, dass es zu einer Spaltung kommen könnte.

„Wir haben überhaupt keinen Zeitdruck. Ich glaube, dass der Brexit anstrengender, dringlicher und komplizierter ist, da bis Oktober Positionen gefunden werden müssen.“ Kneissl erinnerte, dass es in Bezug auf doppelte Staatsbürgerschaft drei Adressatenkreise gebe: Südtiroler, österreichische Staatsbürger, die künftig womöglich vom Brexit betroffen werden (das seien etwa 25.000 Personen), und Nachkommen von Holocaust-Überlebenden. „Wir stehen als Gesprächspartner für Rom und Bozen zur Verfügung“, sagte Kneissl. „Natürlich werden auch die italienische Botschaft und die italienischen Behörden zu weiteren Gesprächen sehr willkommen sein.“

Vizekanzler und Heinz-Christian Strache begrüßte das Treffen in einer Aussendung. Der FPÖ-Chef zeigte sich erfreut, „dass mit dieser Initiative dem Wunsch nach einer österreichischen Staatsbürgerschaft für die österreichische Minderheit in Südtirol im Sinne des europäischen Geistes nun entsprochen werden soll.“

Simultanübersetzung ins Italienische verweigert

Der Südtiroler Landtagsabgeordnete Alessandro Urzi hatte sich zuvor bei einer Pressekonferenz am Vormittag scharf gegen die doppelte Staatsbürgerschaft ausgesprochen: „Es ist ein Schritt gegen Italien, aber auch gegen Südtirol - ein autonomiefeindlicher Schritt.“ Urzi, der als einziger italienischsprachiger Besucher an der heutigen Arbeitsgruppe im Außenministerium teilgenommen hätte, sei die Simultanübersetzung ins Italienische verweigert worden. Er fragte sich, warum er bei einem institutionellen Treffen keine Möglichkeit auf eigene Sprache bekommen konnte.

Urzi sei nicht der einzige, der die umstrittenen Maßnahmen nicht begrüße. „Alle Parteien, seien sie links, rechts oder Mitte - im Landtag, aber auch auf nationaler Ebene - haben sich gegen diese Initiative geäußert“, sagte der Gründer und Chef der rechten Partei „Südtirol im Herzen“.

Der italienische Außenminister Angelino Alfano und der italienische Botschafter Sergio Barbanti hätten die Einladung nach Wien abgelehnt. Die Einladung erfolgte zudem Anfang März - kurz vor der Parlamentswahl in Italien. Urzi zitierte Alfanos Pressemitteilung zum Treffen in Wien: „Jegliche Diskussion zu diesem Thema solle nur zwischen Rom und Wien erfolgen. Argumente, die Wien für den Doppelpass gebracht habe, seien haltlos und würden in krassem Gegensatz zur stark entwickelten Südtiroler Autonomie stehen. Dieses Autonomiemodell ist weltweit sehr geschätzt und muss erhalten bleiben.“

Auch Urzi betonte die Wichtigkeit der Südtiroler Autonomie. „Die doppelte Staatsbürgerschaft wäre ein Verräter der Autonomie. Die Autonomie ist die endgültige Lösung der Südtiroler Frage und zwar eine unumkehrbare Lösung.“ Damit schließe sie alle anderen Maßnahmen aus.

Bezüglich der Erklärung der Sprachzugehörigkeit war Urzi ebenfalls empört: „Man spricht über eine doppelte Staatsbürgerschaft für Deutsch- und Ladinischsprachige. Soll man eine sprachliche Erklärung abgeben? Gibt es vielleicht eine Kulturprüfung? Oder Blutanalyse?“ Urzi befürchtet eine rein ethnische Auswahl und führte ein Zitat des italienischen Journalisten Gian Enrico Rusconi an: „Der 80. Jahrestag des österreichischen Anschlusses ist ein symbolischer Anschluss Südtirols. Dieses ‚Symbol‘ ist aber nur scheinbar harmlos.“

Das Angebot einer doppelten Staatsbürgerschaft sei absolut nutzlos, da die Autonomie und die Minderheiten in einem optimalen Zustand seien. „Das würde einen zweideutigen ethnischen Identitätsanspruch schaffen und Österreich wieder an die trübe Zeit des Nationalismus annähern“, so der 51-Jährige.

„Wir würden zu einer italienischen Provinz an der Grenze zu Österreich werden, die von einer absoluten Mehrheit von Österreichern bewohnt wäre“, warnt Urzi. Das würde neue Kräfte für Selbstbestimmung schaffen „und Selbstbestimmung ist gegen die Autonomie. Man soll sich endlich entscheiden: entweder Autonomie oder die österreichische Staatsbürgerschaft. Beides zugleich ist unvereinbar.“

Siehe Meldung vom 16.01.2018