Radio Dia:tón | 3.8.2020 | 21:40 Uhr | ORF Radio Burgenland livestream
Ihre von Angst und Vergebung gekennzeichneten Schicksale machte die Veranstaltung „Spuren der Erinnerung“ in Kittsee zu ihrem Mittelpunkt. Einer der Organisatoren, der Pamaer Walter Roth, selbst ein Nachkomme einer vertriebenen Mutter, weiß wie bedeutend dieses Gedenken am 75. Jahrestag für die Betroffenen, sowie für das kollektive Gedächtnis ist.
Etwa 200 Menschen, zahlreiche Zeitzeugen unter ihnen, sind am 24. Juli in Kittsee zu diesem Anlass versammelt. Ein Gedenkkreuz wird geweiht, Lieder werden gesungen, Erinnerungen am Leben gehalten.
Eine der Rednerinnen des Abends ist auch die Pressburgerin Rosina Hoffmann-Stolár. Ihre Familie wurde zwar aus dem Dorf gebracht, durfte jedoch doch bleiben, weil der Vater ein bedeutender Weinbauer war. Natürlich musste die kleine Rosina damals noch ihr slowakisch ordentlich auffrischen, erzählt sie im Interview mit Yvonne Erdost: „Wir durften unsere Muttersprache nicht mehr verwenden. Wir winkten uns nur auf der Straße zu, verloren aber kein Begrüßungswort“.
Die Gedenkenden stehen am Ende der Pressburgerstrasse in Kittsee. Genau an der Stelle, an der die Straße aufhört und ein Radweg beginnt. In einigen Metern Entfernung sind zwei Beschilderungen zu erkennen. Auf dem ersten Schild steht „Petržalka“, auf dem sich knapp dahinter befindenden, „Bratislava“. Die leuchtend gelben EU Sterne auf ihrem blitzblauen Hintergrund unterstreichen die Zusammengehörigkeit beider Länder, die sich hier, im nirgendwo zwischen den Plattenbauten der größten Wohnsiedlung Mitteleuropas Petržalka und dem kleinen burgenländischen Dörfchen Kittsee verbinden.
Die Menschen, die sich an diesem Gedenktag genau hier versammeln, stehen zwischen ihren beiden zu Hausen. Sie appellieren an Vergebung, an Verständnis und Hilfe für Minderheiten und Geflüchtete. Sie selbst wissen, was es bedeutet gezwungen zu werden, von Neuem anzufangen.
Robert Kudlicska ist heute über 90 Jahre alt und erinnert sich an die Vertreibung aus seinem Dorf nahe Bratislava. Zunächst führte der Weg in das Anhaltelager „Petronka“, führte über Kittsee und endete im Flüchtlingslager am Wiener Küniglberg, an dem Ort, an dem heute das ORF Zentrum steht.
Der Küniglberg. Von Flüchtlingsunterkunft zum größten Medienstandort Österreichs ist hier wohl eines der deutlichsten Symbole dafür, wie Geschichte, verbunden mit den sich in ihr verborgenen Schicksalen, sich ununterbrochen in Bewegung befindet. Und mit etwas Mitgefühl und Liebe, wie sie auch an diesem Gedenktag in Kittsee spürbar war, in einer Bewegung vorwärts.