Thomas Frankl | Ein Lebenswerk gegen das Vergessen V. | Suche nach Frieden in Wien

Der Zeitzeuge, gebürtige Preßburger und Wiener Slowake Thomas Frankl benutzt heute Worte, um die Geschehnisse seiner Kindheit wiederzugeben. Jede Silbe seiner Erzählungen wird fest von aufwühlenden Gefühlen und Ängsten umschlungen gehalten, die sich die meisten wohl kaum vorzustellen vermögen.

On demand | Rádio Dia:tón | 22.4.2019

Rádio Dia:tón widmet sich im Gedenkjahr 1939 dem Dokument eines Mannes, dessen Kindheitsjahre vom Erwachen der düstersten gesellschaftspolitischen Strömungen der Menschheit geprägt war. Thomas Frankl wurde in ein Pressburg der 1930erJahre hineingeboren, das noch reich an Kulturen- und Sprachenvielfalt war. In der letzten Sendung dieser Sendereihe Dia:tón, die dem Zeitzeugen Thomas Frankl gewidmet ist, spricht er über die Rückkehr seines Vaters, des berühmten Künstlers Adolf Frankl aus dem Konzentrationslager Auschwitz und die trügerischen Zeiten des Friedens für die jüdische Familie in Pressburg:

„Es war sehr schwer, aber wir waren befreit und meine Eltern eröffneten wieder ihr Geschäft in Preßburg. Das war völlig ruiniert und ausgeraubt. Trotzdem begann meine Mutter langsam aus den Resten, die übrig waren, kleine Pölster zu nähen und sie erarbeiteten sich wieder etwas. Es lief ganz gut und plötzlich, 1948 kam die kommunistische Regierung die meinem Vater sagte, dass er in seinem Geschäft arbeiten dürfte, und einen Lohn dafür bekommen könnte und man munkelte schon, dass es wieder schlimmer kommen würde. Mein Vater wollte Preßburg nie verlassen, aber wir haben ihn sehr lange überredet, dass er es dann doch tat. Damals konnte man sich noch ‚freikaufen‘, um das Land verlassen zu können. Wir kamen fast ohne Geld an die Grenze, dort mussten wir wieder etwas zahlen. Und wir kamen nach Wolfsthal mit einem Rinderwagen”, erinnert sich Thomas Frankl an das Verlassen seiner Heimatstadt Preßburg.

Thomas Frankl

ORF | yvonne erdost

Thomas Frankl vor dem Ölbild seines Vaters

Es war 1949, die Suche nach wahrem Frieden führte die Familie Frankl weiter nach Wien, in die nächste Metropole, mit der sie sich identifizieren konnten. Hier setzten sie sich für die Dokumentation des NationalsozialistischenGrauen und Zeitzeugenarbeit ein. Ein neues Kapitel mit einem ewigen Vermächtnis brach ein. Der Sohn Thomas Frankl trägt bis heute unermüdlich die Botschaft seines Vaters in die Welt hinaus:

Vor allem seinem Vater Adolf riss es fast das Herz aus dem Leib. So war es ihm sehr wichtig, zumindest die räumliche Nähe zur Slowakei zu wahren: „Als Flüchtlinge übernachteten wir im Rotschild Spital in Wien, heute ist dort das WIFI untergebracht. Es war so, dass die meisten Emigranten weiterziehen wollten. Aber mein Vater wollte hier bleiben, weil Preßburg in der Nähe war. Oft war ich mit ihm in Kittsee, damit er hinüber blicken konnte. Er litt, nicht nur vom Lager, er konnte nicht darüber sprechen. Wie auch andere. Es ist so, dass die meisten nur schwer über die Zeit sprechen können. Was er aber konnte, war malen. Und er malte etwa 250 Ölbilder und das sind seine Worte. Er sprach sehr wenig“.

Thomas Frankl

ORF | yvonne erdost

Thomas Frankl selbst zog es als jungen Mann weiter, nach Amerika. Doch auch ihn brachte das Gewissen um das Vermächtnis seines Vaters wieder zurück zu ihm: „Es ist ja so, wir, die Menschen, die das überlebten sind nicht normal. Ich habe das Problem, dass ich Angst habe, ich sperre mich immer ein, wenn ich zu Hause bin. Ich mache und machte viele Therapien, träume viel von diesen Zeiten. Und ich freute mich sehr, als ich von Amerika zurückkam, dass ich die Werke meines Vaters begleiten konnte und den Schülern davon berichten“.

Sein Vater Adolf sprach mit seiner Familie nie über seine Zeit im Konzentrationslager. Er wählte Öl und Leinwand als Gefährten, die ihm mit ihren rauhen Fasern dazu verhalfen, das in seinen Poren eingefressen Grauen durchs Leben zu tragen. Im Laufe der Jahre entstand der Bilderzyklus „Visionen aus dem Inferno | Kunst gegen das Vergessen“, als Monument für die Menschlichkeit.

Adolf Frankl

Thomas Frankl

Mit meinem Werk hinterlasse ich ein Memento für alle Völker der Welt. Niemand, ohne Unterschied des Glaubens, der Herkunft oder politischer Überzeugung, darf niemals wieder solche, oder ähnliche Grauen erleben müssen | Adolf Frankl

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Frankl | Zerrissene Familie, zerreißende Zeit | Ein Leben gegen das Vergessen III.
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