Beckers „Ein fesches Dirndl“ als Plädoyer für sensible Integration

Es gibt keine Formel für eine gelungene Integration. Geduld und liebevolle Empathie seien aber wichtige Wegweiser dorthin, weiß die Autorin Zdenka Becker. Mit ihrem neuen Roman „Ein fesches Dirndl“ beschreibt sie ihre eigene intime Integrationsgeschichte.

Zdenka Beckers neuer Roman | "Ein fesches Dirndl"

yvonne erdost

Zdenka Becker

On demand | Rádio Dia:tón | 4.3.2019

Die gebürtige Tschechoslowakin Zdenka Becker brachte ihre große Liebe zunächst nach Wien, dann, gemeinsam als Familie, weiter in die ländliche Idylle Niederösterreichs. Hier fand sie nach einigen Herausforderungen, die das Leben mit Migrationshintergrund so mit sich bringt, schließlich den Ort, an dem sie sich ihren Lebenstraum erfüllen konnte. Die Geschichten aus ihrem Kopf behutsam auf Papier zu bringen. So umkreisen seither die Romane, Theaterstücke, Drehbücher und Erzählungen dieser preisgekrönten Autorin, die in der Sprache ihrer neuen Heimat zu schreiben begann, bereits Leser/innen und Publikum rund um den Erdball. Dabei erzählen Beckers Werke stets von einem, für eine menschliche Sensibilität in der Gesellschaft pochendem Herzen.

So löste auch das Dirndl in seiner Farbenpracht für Zdenka Becker die einst von ihr so strikt gedachten Muster einer Integrationsgeschichte. Nach vierzig Jahren in Österreich erkannte sie für sich, dass es viel Fürsorge, Geduld, Liebe zu einander und zu sich selbst- und vor allem Zeit brauche, um ein Leben in Sicherheit und Zuversicht führen zu können. Es gibt keine Formel für eine gelungene Integration. Geduld und liebevolle Empathie seien aber wichtige Wegweiser dorthin, weiß die Autorin, die heute auch als Erwachsenenbildnerin Deutschkurse leitet.

Zdenka Beckers neuer Roman | "Ein fesches Dirndl"

yvonne erdost

Becker liest im ORF Funkhaus Wien für das Volksgruppenmagazin aus ihrem neuen Roman

Zdenka Becker | „Man kann sich nicht einfach umziehen und gehört gleich einer anderen Kultur an“

„Ein fesches Dirndl"
Do, 28. Februar, 19 Uhr - Buchpremiere, Alte Schmiede, Schönlaternengasse 9, 1010 Wien

Die Melodie jeder Sprache bringt für die Autorin eine andere Frequenz mit sich, wie sie sagt. Sie gibt ihren Schülerinnen und Schülern das mit, was für sie selbst als Lernende eine Herausforderung darstellte. „Lernt so viele Vokabel wie möglich“, erinnert die Sprachlehrerin ihre Schüler/innen und auch dass die Muttersprache nicht zwangsweise eine größere Verbundenheit bedeute, als die neue Sprache im neuen Land. „Das Dirndl ist eine Metapher, die bedeutet, dass ich angekommen bin. In den ersten Jahrzehnten in denen ich in Österreich lebte, lehnte ich diese Kleidung mit allen Fasern meines Lebens ab. Als ich die Menschen damals in Wien, im zehnten Bezirk, in dem wir lebten, in Trachten sah, verstand ich nicht, was das sollte. In der Slowakei trug man Trachten längst nicht mehr in der Öffentlichkeit. Später, als wir aufs Land zogen, konnte ich beobachten, dass hier die Tracht als eine Art Festtagsgewand genutzt wurde, die auf Festen getragen wird“, erinnert sich die Autorin, die ihre ablehnende Haltung gegenüber dieses Stoffes erst 40 Jahre nach ihrem Umzug nach Österreich ablegen sollte.

Dass sie lange Zeit keinen Zugang zu diesem ihr so fremden Gewand fand, symbolisiert für Becker den Integrationsprozess eines Menschen in die Kultur eines für ihn bislang unbekannten, neuen Heimatlandes. Durch das erstmalige Anziehen eines Dirndls für eine Trachtenhochzeit, nahm sie das intimste der österreichischen Gesellschaft an, wie sie sagt: „Mit der Entscheidung, mich für dieses Stück Stoff zu öffnen, wurde ich zu einer von ihnen, denn ich trug es aus ganzem Herzen, doch das konnte ich erst nach 40 Jahren. Man kann sich nicht einfach umziehen und gehört gleich einer anderen Kultur an. Das geht nicht so leicht“, so die Autorin.

Zdenka Beckers neuer Roman | "Ein fesches Dirndl"

yvonne erdost

Lesungen ZDENKA BECKER • CHRISTINE HAIDEGGER

28.2.2019
Do, 19:00
AS – Alte-Schmiede-Werkstatt | Schönlaterngasse 7A, 1010 Wien

ZDENKA BECKER (St. Pölten) liest aus EIN FESCHES DIRNDL. Roman (Gmeiner Verlag, 2019)
CHRISTINE HAIDEGGER (Salzburg) liest aus NACH DEM FEST. Erzählungen (Otto Müller Verlag, 2018) • Einleitungen und Gespräche: Daniel Terkl, Johanna Öttl

Liebevoller Umgang miteinander als Botschaft für ihren Enkel

Vor einem Jahr ist die Autorin zum ersten Mal Großmutter geworden. Ihrem Enkelsohn, von dessen baldiger Ankunft auf der Welt sie gerade dann erfuhr, als sie begann diesen Roman zu schreiben, widmet sie dieses Werk. „Es war eine große Motivation für mich, in diesre Autobiografie möglichst detailliert alles zu beschreiben. Denn wer weiß, ob ich noch selbst die Möglichkeit haben werde, ihm alles zu erzählen“, lächelt Becker.

„Die Qualität einer Gesellschaft zeigt sich darin, wie sie mit den Schwächeren umgeht. Es geht um einen liebevollen Umgang mit Alten, Schwachen, oder mit Menschen, die alles verloren haben und hier her gekommen sind. Das ist meine Botschaft an die nächsten Generationen. Sich für so eine Gesellschaft einzusetzen und daran zu arbeiten“, rundet die Autorin im Gespräch mit Yvonne Erdost ab.

"Ein fesches Dirndl“ (Gmeiner Verlag) ist der erste autobiographische Roman der Autorin. Aus ihm liest sie demnächst erstmals in der Alten Schmiede in Wien.

Ein ausführliches Interview mit Zdenka Becker über ihr neues Werk ist im slowakischen Volksgruppenmagazin Dia:tón am Montag, den 4. März um 21:40 Uhr auf ORF Radio Burgenland zu hören.

Zdenka Beckers neuer Roman | "Ein fesches Dirndl"

yvonne erdost

„Ein fesches Dirndl“

Roman, Gmeiner-Verlag, Erscheinungstermin 13.Februar, 2019 Humorvoll, spannend und berührend erzählt

Autobiografischer Roman Mehrfach preisgekrönte Autorin
Hardcover mit Schutumschlag,
279 Seiten, € 20

Eine Geschichte des Ankommens Wie lange dauert es, bis der innere Sturm, der während der Flucht in einem entsteht, verebbt? Wie lange dauert es, bis drohende Gefahr vergeht, ein sicherer Hafen in Sicht ist, bis man landet? Wie lange dauert es, bis Heimatgefühl entsteht, die verletzten Wurzeln regenerieren, sich mit der geborgten Erde vereinen, bis man die Sonne und den Mond entdeckt, aufblüht und gedeiht, bis man ein Teil des neuen Ganzen wird? Fragen über Fragen, die nur der beantworten kann, der die Flucht überlebt hat und bei sich angekommen ist.

Links

Zdenka Becker | Homepage
Gmeiner Verlag | Zdenka Becker
Alte Schmiede Wien | Zdenka Becker Lesung