Ruža Nikolić-Lakatos | Ein Leben mit Entbehrungen und strikten Traditionen

Ruža Nikolić-Lakatos, Botschafterin der Lovara und ihrer Volksgruppe, war stets bemüht, die Liedtradition der jungen Generation weiter zu geben. Bis zur Realisierung ihres Zieles wurde sie aber von vielen kleinen und großen schmerzhaften Momenten begleitet.

Ruza und Miso Nikolic

Mozes Heinschink

Ruža Nikolić-Lakatos (Mitte) | 1960

On demand | Roma sam | 27.8.2018

Die Familie Lakatos lebte in einer kleinen Wohnung in einer Roma-Siedlung im ungarischen Pápa. Auf den zahlreichen Märkten in der Umgebung von Pápa kauften und verkauften ihr Vater und Onkel Pferde. Die Verhältnisse waren äußerst bescheiden. In der kleinen Zimmer-Küche-Wohnung, in der Ruža ihre Kindheit verbrachte, war kaum genügend Platz für die eigene Familie.

Ruza und Miso Nikolic

Peter Tyran

Mozes und Fatma Heinschink, Ruža Nikolić-Lakatos und Mišo Nikolić | 2006

Roma sam | 27.8.2018 | 20:50 Uhr | Radio Burgenland livestream

Die musikalischen Talente von Ruža waren ihrem Vater längst aufgefallen, aber sie durfte unaufgefordert nicht in der Öffentlichkeit frei singen. Singen bedeutet nämlich, im Mittelpunkt zu stehen und die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Es ist eine Ehre und steht aber nicht jedem zu. Eine Frau, die von sich aus die Entscheidung dazu trifft, begeht einen Tabubruch.

Als Ruža elf Jahre alt war, kam es zum Ungarn-Aufstand. Wie Tausende andere Ungarn entschloss sich auch die Familie Lakatos, die für kurze Zeit offenen Grenzen zu nützen und nach Österreich zu emigrieren.

Miso Nikolic

Peter Tyran

Mišo Nikolić und Sohn Sascha | 1970

Familie Lakatos bezog nach einem kurzen Aufenthalt im Barackenlager in Tirol einen Wohnwagen am Ringelseeplatz in Wien Floridsdorf. Ruža Lakatos lernte dort ihren späteren Mann Mišo Nikolić kennen. Sie wurde schwanger, doch Mišo musste zurück nach Jugoslawien, weil er nur eine befristete Aufenthaltsgenehmigung hatte.

In der traditionellen Lovara-Gemeinschaft wurde die Schwangerschaft Ružas als schwerwiegende Schande für die ganze Familie betrachtet. Hinzu kam, dass sich beide Familien gegen die Heirat sträubten und die Partner ihrer Kinder nicht akzeptieren wollten.

Ihr Mann Mišo Nikolić wurde in Jugoslawien zum Militär einberufen und durfte nicht mehr ausreisen. Er schaffte es jedoch, über die Grenze nach Italien zu fliehen. Über Frankreich und Belgien gelangte er dann nach Deutschland, wo er Aufnahme in einem Flüchtlingslager fand. Mit ihrem bereits sechs Monate alten Kind zog Ruža zu ihrem Mann.

Ruza und Miso Nikolic

Peter Tyran

Familie Nikolić-Lakatos mit Mozes Heinschink (rechts) | 1970

Ruza und Miso Nikolic

Archiv

Mišo Nikolić 1941 - 2007

Die junge Familie Nikolić-Lakatos blieb vorerst in Deutschland und schloss sich einer Gruppe von Kalderaš an, die als Teppichverkäufer tätig war.

Nachdem Ruža und ihr Mann genügend Geld gespart hatten, gingen sie zurück nach Österreich und kauften ein Haus bei Wien. An öffentliche Konzerte, noch dazu vor Nicht-Roma-Publikum, dachte sie damals jedoch noch nicht.

Selbst der überraschende Tod von Sohn Sascha im Jahr 2004 und der Tod ihres Ehemannes Mišo im Jahr 2007 konnten ihre Liebe zur Musik nicht brechen. Nach einer kurzen Pause im Jahr 2010 arbeitete Ruža Nikolić-Lakatos mit neu besetzter Band wieder unermüdlich. Der Lovarica Ruža Nikolić-Lakatos ist es zu verdanken, das Liedergut der Lovara von UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt wurde. Das war November 2011, als Ruža die offizielle Urkunde im Wiener Traditionscafe Weimar übernahm.

Ruža Nikolić-Lakatos | Lovarica, Sängerin und Botschafterin ihres Volkes
Ruža Nikolić-Lakatos | Lovarica, dschilaschkija taj botschofterkija lakere flogostar