Gedenken an Auschwitz-Befreiung | Zusammenhalt der Opfergruppen

„Niemand von der heutigen Generation kann sich vorstellen, wie das ist dauernd hungrig zu sein, von Ungeziefer zerfressen, das waren ungeheure Ungeziefermengen“, erinnert sich die KZ-Überlebende Helga Feldner-Busztin jüngst bei der Gedenkveranstaltung an die Befreiung von Auschwitz.

On demand | Roma sam | 5.2.2018

„Für die österreichische Bevölkerung wünsche ich mir mehr Menschlichkeit und bisl nachdenken und bisl in die Vergangenheit schauen“ | Helga Feldner-Busztin

Das Bündnis „Jetzt Zeichen setzen!“ organisierte dieses jahr erstmals gemeinsam mit dem Romano Centro das traditionelle Gedenken an die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee. Gedacht haben die Anwesenden gemeinsam mit Bundespräsident a.D. Heinz Fischer und der diesjährigen Ute Bock Preisträgerin, der Holocaust Überlebenden und Zeitzeugin Helga Feldner-Busztin.

Es war an einem Samstagmorgen. Das Grauen der dunkelsten Zeit der jüngsten Geschichte, das später in Bildern, Filmen und Erinnerungen als Warnsignal um die Welt kreisen sollte, erwachte an diesem Morgen des 27. Jänners 1945, der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zum letzten Mal. Der Tag der Auschwitz-Befreiung wurde von der UNO als Internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust ausgerufen. Es sind Tage, an denen Menschen weltweit zu Frieden und Menschlichkeit aufrufen.

„Mitten in dieses Gedenken hinein taucht plötzlich dieses entsetzliche Liederbuch auf mit Texten, wo ich Unsummen darauf gewettet hätte, dass in Österreich alles mögliche möglich ist aber sowas hätte ich nicht für möglich gehalten. Dass man darüber blödelt, ob auf die sechs Millionen nicht noch eine siebte Million dazukommen kann, in dem man Gas gibt so wie mit dem Porsche. Sie kennen den Text ja“, so der Bundespräsident a.D. Heinz Fischer in seiner Rede.

Eine von jenen, die die qualvolle Zeit im Konzentrationslager Theresienstadt überleben konnten, ist Helga Feldner-Busztin. Sie erhielt jüngst den von SOS Mitmensch initiierten Menschenrechtspreis. Den Ute Bock Preis für Zivilcourage und ihren “unermüdlichen Einsatz für die Aufklärung über die Nazizeit”.

"...und wie wir uns in der sehr unfreundlichen Willkommenskultur in Österreich wieder zurechtgefunden haben, ist ein anderes Kapitel. Heute ist vielleicht nicht der Antisemitismus das Ärgste, aber wie mit den Flüchtlingen verfahren wird und wie das Geld herausgeschmissen wird, für z.B. 3000 Polizisten beim Akademikerball, aber die Mindestsicherung wird gekürzt", so die Zeitzeugin.

Heuer, im 73. Gedenkjahr an die Befreiung von Auschwitz fand die Gedenkveranstaltung in Wien erstmals seit Jahren nicht am Wiener Heldenplatz statt, wie in den Jahren davor. An einem Platz, unmittelbar vor der Hofburg, in der genau in diesen Gedenktagen auch jährlich der umstrittene Burschenschafter-Akademikerball seine Mitglieder empfängt.

„Jeder, der die Menschenwürde aller Menschen achtet, kann nicht ein Rassist sein und kann nicht handeln oder denken, wie es in dieser schrecklichen Zeit der des Nationalsozialismus geschehen ist, wo ja nicht nur gegen Juden, sondern auch gegen Roma und Sinti und gegen gleichgeschlechtlich orientierte und sonstige religiöse Minderheiten und politische Gegner vorgegangen ist. Und vorgehen heisst töten. Es sind Millionen von Menschen ums Leben gekommen damals“, mahnt Fischer und ergänzt:

„Ich glaube, die Opfergruppen sind alle im gleichen Boot, sie sind alle Opfer der selben Ideologie. Sie sind Opfer einer rassistischen nationalsozialistischen Ideologie und dagenen muss man sich auch gemeinsam zur Wehr setzen.“

Und dabei leistet seit heuer erstmals auch das Romano Centro aktive Unterstützung.

„Es ist wichtig, dass die Opfergruppen zusammenhalten, wenn man über die Roma Opfer des Holocaust spricht, spricht man oft auch von einem vergessenen Holocaust. Es ist wichtig, dass alle Anerkennung für das, was ihnen wiederfahren ist, bekommen“, meint Irina Spataru vom Romano Centro.

Sharon Krichely von der jüdischen Hochschüler/innenschaft mahnt auch an diesem Tag zu großer Achtsamkeit. Die Erinnerungen der Opfer müssen zu unseren eigenen Erzählungen werden. Nur dann könne einem Vergessen oder Verleugnen entgegengewirkt werden: „Natürlich besteht die Gefahr, dass das Leid vergessen wird. Es gibt ja jetzt schon Leute, trotz dessen, dass es noch Zeitzeugen gibt, die sagen, dass der Holocaust nie existiert hat, obwohl es klar ist, dass er stattfand. Dagegen müssen wir was tun, wir müssen als Lebende diese Geschichten weitergeben und zu sagen: ‚Ich weiß es, das sowas passiert ist‘.“

Yvonne Strujic | ORF Volksgruppenredaktion

Durch die aktuelle Sendung Roma sam mit diesem Thema führt Susanne Horvath.