Herbert Brettl
ORF
ORF
ROMA SAM | GESCHICHTE

Die verschwundene Romasiedlung von Podersdorf am See

Im Bezirk Neusiedl am See leben heute kaum noch Roma und Romnja. Vor dem Nationalsozialismus allerdings gab es in vielen Orten Roma und Romnja, manchmal sogar ganze Siedlungen. Sie waren, so weit dies die Mehrheitsgesellschaft zuließ, ein Teil des Dorflebens. Ihre Geschichte endet in den meisten burgenländischen Dörfern mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten. So auch in Podersdorf.

Die Roma-Siedlung in Podersdorf befand sich, wie in vielen anderen Orten, ebenfalls am Rande der Ortschaft. Ab 1837 siedeln dort die ersten Roma-Familien, wie der Historiker Herbert Brettl im Gespräch erklärt. Schon kurz nach ihrer Ankunft, werden Edikte erlassen, die ihr Leben stark beeinflussen.

Herbert Brettl
ORF
Herbert Brettl | Historiker

Im Lauf der nächsten Jahrzehnte leben immer mehr Roma im Ort, viele von ihnen sind Lovara. Die Siedlung entsteht gegenüber der alten Windmühle, die man auch heute noch in Podersdorf besichtigen kann.

Radio „Roma sam“ | 13. November 2023 | 20:50 Uhr

Präsentiert von Susanne Horvath | Live Radio Burgenland

Eine besondere und bekannte Persönlichkeit unter den Podersdorfer Roma war Vinzenz „Dolla“ Stojka.
Ebenfalls besonders ist, dass es einen Grabstein gibt, der gut erhalten hier in Podersdorf gefunden wurde. Vinzenz Dolla Stojka erlitt im Nationalsozialismus dasselbe Schicksal wie tausende andere Roma und Romnja im Burgenland:

Grabstein Dolla Stojka
ORF
Grabstein von Vinzenz „Dolla Stojka“

Hier wo einst die Podersdorfer Roma am Rande der Gesellschaft lebten, entstand Jahrzehnte später das Lokal „Die Zigeunergrube“. Bekannt war das Lokal auch für die Roma Musiker, die dort spielten. Im Laufe der Jahre wurde die „Zigeunergrube“ in „Zur Grube“ umbenannt, denn man weiß, dass die Fremdbezeichnung „Zigeuner“ als beleidigend empfunden wird. Mittlerweile führt Maria Karner, den Bio Archehof „Zur Grube“. Sie erinnert sich noch an die Zeit, als ihre Eltern das damalige beliebte Lokal betrieben.

Maria Karner
ORF
Maria Karner | Archehof „Zur Grube“

Auch eine Folge „Ein echter Wiener geht nicht unter“ entstand hier. Ein Umstand, der in der Nachkriegszeit die durchaus ambivalente Haltung gegenüber den Roma zeigt, ist, dass man versucht hat den Tourismus, vor allem im Seewinkel, mit der sogenannten „Puszta Romantik“ anzukurbeln. Viele Lokale engagierten dafür Roma-Musiker, um diesem Klischee nachzukommen – obwohl es sich oft gar nicht um richtige Roma handelte. Auch hier wurden altbekannte Vorurteile verbreitet und ausgenutzt. Auf der anderen Seite litten jene Roma, die den Krieg überlebt hatten, immer noch unter der anhaltenden Diskriminierung der Mehrheitsgesellschaft und verließen die Dörfer in die Großstadtanonymität, so Herbert Brettl.

Ein echter Wiener geht nicht unter, F16 „Urlaubsfreuden“
ORF
„Ein echter Wiener geht nicht unter“, Folge 16 „Urlaubsfreuden“

Schon seit einigen Jahren will man in Podersdorf ein Denkmal realisieren, wie die Bürgermeisterin von Podersdorf Michaela Wohlfart erklärt. Erst in den letzten Jahren, vor allem durch Vorträge von Herbert Brettl, hat sie von der tragischen Geschichte der Roma im Ort erfahren, obwohl man in Podersdorf weiß, dass es hier einst Roma gab.

Michaela Wohlfart
ORF
Michaela Wohlfart | Bürgermeisterin, Podersdorf

Wann und wo das Denkmal umgesetzt werden soll, ist bis jetzt noch nicht klar. Maria Karner würde sich „die Grube“ als Ort des Gedenkens wünschen.

Die Bürgermeisterin Michaela Wohlfahrt ist auf jeden Fall für Gespräche bereit.