Gedenktafel an die Opfer des Nationalsozialismus, Baranka Park
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GEDENKEN

15. Baranka Park Gedenkfeier

Da Sinti und Roma die Anerkennung als Opfer versagt wurde und sie alleine die Ermordung ihrer Familien betrauern mussten, wurde die Baranka-Park-Gedenkfeier vor 15 Jahren ins Leben gerufen. Die Baranka Park Gedenkfeier wird seit 15 Jahren vom Verein Voice of Diversity veranstaltet, um der Roma und Sinti zu gedenken, die Opfer des Nationalsozialismus wurden.

Mit der Feier wird der Opfer gedacht und auch das Leben und die Kultur der Roma und Sinti sowie der jüdischen und Wiener Kultur gefeiert und vermittelt. Künstler/innen, Autor/innen, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Akteur/innen der Zivilgesellschaft, Politiker/innen – sie alle setzen am 20. Mai 2023 mit ihrem (kulturellen) Wirken ein Zeichen gegen das Vergessen.

Rastplatz der Roma & Sinti – ein historischer Ort

Seit dem 18. Jahrhundert war die Hellerwiese Lager- und Rastplatz der Roma (aus dem Stamm der Lovara) und Sinti, die ihre Teppiche, Stoffe und Pferde bis in den Grazer Raum handelten. Die fahrenden Händler lebten mit ihren Wohnwägen auf der Wiese in unmittelbarer Nähe zur Schokoladen-Fabrik Heller. Der Austausch mit den Nachbarn war freundschaftlich und von gegenseitigem Respekt geprägt, bis 1940 das NS-Regime auf die Roma und Sinti Familien aufmerksam wurde. Das Gelände wurde zunächst eingezäunt und stand unter Beobachtung. Im Jahr 1941 verschleppte die Gestapo schließlich blindwütig und gnadenlos alle auf der Wiese lebenden Menschen in Konzentrationslager.

Hellerwiese
Bundesarchiv
Hellerwiese

Zeitzeuge Mongo Stojka

Johann „Mongo“ Stojka, der als Kind mit seiner Familie selbst auf der Wiese gelebt hatte, war einer der ganz wenigen, die das Konzentrationslager überlebten. Sein Vater erkannte die Gefahr durch die Nazis frühzeitig und übersiedelte die acht-köpfige Familie nach Ottakring nahe dem Kongressbad. Die Räder des Wohnwagens montierte der Vater kurzerhand ab und machte aus dem mobilen Heim ein kleines Holzhaus mit festem Standort. Doch 1943 wurde auch die Familie Stojka von der Gestapo ins Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert und erlebte Schreckliches.

Cover – Buch Mongo Stojka
Josef M. Schmidt
„Papierene Kinder“ – Erinnerungen von Johann „Mongo“ Stojka

Mit Hilfe seines Sohnes, dem international bekannten Gitarren-Virtuosen Harri Stojka, begann er schließlich, die Geschichte dieses historischen Ortes, die auch seine eigene war, aufzuarbeiten und öffentlich zu machen. Im Jahr 2003 wurde der Park schließlich nach der angesehenen Naturheilerin Helene „Baranka“ Huber – Großmutter von Mongo Stojka und Stammes-Oberste – in Baranka Park umbenannt. Seit 2008 organisiert der Verein Voice of Diversity die jährliche Baranka Park Gedenkfeier, um die unermüdliche Aufklärungsarbeit und Bewusstseinsbildung von Mongo Stojka, der im März 2014 verstorben ist, weiterzuführen.

Programm – Sa., 20. Mai 2023 (17.00–22.00 Uhr)

(Kurzfristige Programmänderungen vorbehalten)

15. Baranka Park Gedenkfeier am Belgradplatz, 1100 Wien

Eröffnung um 17:00 Uhr

Zahlreiche Persönlichkeiten kommen zu Wort und geben kurze Statements, um ein Zeichen gegen das Vergessen zu setzen und den Blick für die Gegenwart und Zukunft zu schärfen. Moderation: Marion Dworzack (Stv.-Vereinsobfrau)

Lesung: Doris Stojka

Traditionell liest Doris Stojka aus dem Buch „Papierene Kinder“ ihres Vater Mongo Stojka (Initiator dieser Gedenkfeier) vor, der das Konzentrationslager als Kind überlebt hatte und später seine Erinnerungen in diesem Buch festhielt.

Konzert: Tini Kainrath, Rudi Koschelu und Tommy Hojsa

Mit der Stimme von Tini Kainrath aus Wien-Grinzing wird der Abend zu einem besonderen Erlebnis für die BesucherInnen. Die teils bissigen Texte der Urwiener Musiker der Vergangenheit spiegeln dabei ein Bild von anno dazumal. Der Kontragitarrist Rudi Koschelu ist Spezialist des Wienerliedes und des wienerischen Jodelns (Dudeln), was ihn zurzeit als einzigen männlichen Dudler Wiens auszeichnet. Tommy Hojsa ist ein Experte und Musiker des Wienerlieds, Komponist und auch Theatermusiker. Am liebsten bewegt er sich zwischen den musikalischen Welten, dem klassischen und experimentellen Wienerlied, der Theatermusik, dem Jazz und weit darüber hinaus.

Lesung: Susanne Scholl

Die Großeltern väterlicherseits wie auch mütterlicherseits wurden im Nationalsozialismus ermordet − eine Tatsache, die Susanne Scholl auch in ihrem ersten Roman „Elsas Großväter“ (Picus-Verlag 2003) verarbeitete. Das Buch thematisiert die Flucht im Dritten Reich und ist den Großeltern gewidmet.

Konzert: Aliosha Biz Klezmer Project

Aliosha Biz mischt schon seit Langem die Wiener Weltmusikszene auf: Lakis & Achwach, Tiomna Brauer, Dobrek Bistro und, und, und. Seit Neustem ist er auch noch Kabarettist (sein Programm „Der Fiddler ohne Ruf“ ist in aller Munde) und DJ. Fad wird also dem vierfachen Vater und leidenschaftlichen (gelernten) Wiener nie. Als häufiger Gast im Baranka-Park, präsentiert der Pawlatsch’n-Paganini diesmal ein Klezmer Trio zusammen mit seinen langjährigen musikalischen Weggefährten Sasha Shevchenko (Akkordion) und Sasha Danilov (Klarinette/Saxofon), wobei er selber neben dem Geigenbogen auch die Electronics „schwingt“. Als starkes Zeichen gegen den Krieg holen die drei ehemaligen Sowietbürger die virtuellen Frauenstimmen aus der Ukraine nach Favoriten. Denn Musik ist noch immer stärker als Waffen.

Lesung: Stefan Horvath

Geboren 1949, lebt in der Roma-Siedlung in Oberwart. 1995 verlor er bei der Detonation der Oberwarter Rohrbombe unweit der Siedlung einen Sohn. Von diesem Ereignis schwer traumatisiert, litt er an schweren Schlafstörungen, da er das Geräusch der detonierenden Bombe immer wieder in seinen Träumen zu hören glaubte, bis er eines Tages ein probates Mittel zur Überbrückung dieser Zeit fand: Er begann zu schreiben. 2003 erschien sein erstes Buch „Ich war nicht in Auschwitz“ und 2007 das Buch „Katzenstreu“, zu dem mit Willi Spuller auch ein gleichnamiges Hörbuch produziert wurde. 2013 erschien sein bislang letztes Buch „Atsinganos – Die Oberwarter Roma und ihre Siedlungen“.

Konzert: Harri Stojka Acoustic Drive

Ein aktueller Schwerpunkt von Harri Stojkas Live-Arbeit im Jahr 2023 liegt dabei ganz klar in der Formation ACOUSTIC DRIVE gemeinsam mit seinen kongenialen Partnern Peter Strutzenberger (Bass) und Sigi Meier (Bongos). Hier wird Stojka style einem anderen von dessen wichtigen Einflüssen, Django Reinhardt und dessen musikalischem Universum nachgespürt, als Grundsatz dafür umreißt der Gitarrist den Ansatz von ACOUSTIC DRIVE prägnant als „moderne Jazz-Solistik mit Akustik-Gypsy-Sound“.

H. Stojka
Christine Lag Schroeckenstein
Harri Stojka

Was diese Worte knapp charakterisieren, transzendiert im Konzert die Limitierungen eines reinen Tributs, Stojka & Co gehen in die Vollen ihrer instrumentalen Ausdrucksmöglichkeiten, lassen ihre Musikalität nicht nur durch das Material Reinhardts sprechen, sondern bewegen sich ebenso dynamisch mit den Eigenkompositionen von Harri Stojka, der „drive“ im Bandnamen darf wörtlich genommen werden und zieht das Publikum rasch in seinen Bann.

Konzert: Moša Šišić und seine Schüler

Moša Šišić ist ein gern gesehener Künstler in Favoriten und seine Musik ist sehr beliebt bei der Nachbarschaft. Er sorgt immer für beste Stimmung und hat ein großes Stammpublikum aus Favoriten, welches Jahr für Jahr mit uns die Roma-Kultur lebt und feiert.

Moza & Schüler
Bettina-Sidonie Neubauer
Moša Šišić und seine Schüler